Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
brenne eine
Leuchtkugel ab. Während ich mich bemühte, meine
Bauchmuskeln angespannt zu halten, konnte ich außer der dunklen Blutspur, die mein Körper zurückgelassen hatte, nichts sehen.
Nach vier oder fünf Schritten ließ Sarah meine Beine zu Boden fallen. Ich rollte mich stöhnend erneut zusammen, um die Schmerzen leichter ertragen zu können, während sie mit ihrer Pistole auf die Tür zielte.
Sie wurde geöffnet. Josh hatte gute Nachrichten für uns.
»Hey, Leute, es sieht so aus, als könnten wir …«
Ich versuchte, einen Warnruf auszustoßen, aber ich brachte keinen Ton heraus. Sein Gesichtsausdruck verriet Schock und fassungsloses Staunen, das seine Augen hinter den
Brillengläsern noch größer erscheinen ließ. Sarah stand in perfekter Schusshaltung vor Josh und zielte gelassen auf seine Körpermitte. Wer so bedroht wird, braucht einige Zeit, um diese Erkenntnis zu verarbeiten – vor allem, wenn sie unerwartet kommt –, aber Josh stellte sich rasch auf die neue Situation ein.
Sarahs Stimme klang weiterhin cool, sehr beherrscht.
»Machen Sie die Tür zu, Josh.«
Sein Blick fuhr zwischen uns beiden hin und her, streifte Davys leblosen Körper, begutachtete meinen Zustand und fixierte zuletzt wieder die Pistole. Bestimmt überlegte er angestrengt, wie zum Teufel sie es geschafft hatte, diese Waffe 557
hier einzuschmuggeln.
»Machen Sie die Tür zu, Josh.«
Falls Josh Angst hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er nahm sämtliche Informationen auf, ohne ein Wort zu sagen, schloss die Tür hinter sich und blieb dann unbeweglich stehen, wobei er darauf achtete, dass Sarah seine Hände sah.
»Sie drehen sich jetzt um und legen Ihre Hände auf den Kopf«, sagte sie.
Er wusste, was das bedeutete. Kehrt man jemandem, der einen mit einer Pistole bedroht, den Rücken zu, kann man nicht mehr beurteilen, was um einen herum vorgeht.
»Jetzt treten Sie aus dem Blut heraus und knien sich hin.«
Kniet man erst einmal, ist man sehr verwundbar.
Dann folgten weitere Befehle. »Ziehen Sie mit der linken Hand – aber nur mit Daumen und Zeigefinger anfassen – Ihre Pistole heraus. Jetzt gleich!«
Ich war hilflos, nur ein vor Schmerzen
zusammengekrümmtes Bündel Mensch. Draußen auf dem
Korridor waren laute Stimmen zu hören. Ich erkannte, dass das die beiden Frauen mit den weißen Lackschuhen waren, die aus Richtung der Brandschutztür zurückkamen. Sarah sah
nochmals rasch auf ihre Uhr.
Sollte ich um Hilfe rufen? Dazu fehlte mir die Kraft. Die beiden würden mich nicht hören. Ich blickte zu Josh hinüber, den ich im Profil sehen konnte. Auch er überlegte offenbar, ob er um Hilfe rufen sollte.
Josh wirkte erstaunlich ruhig, als er den Pistolengriff zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, um ihren Befehl auszuführen. »Ich ziehe sie jetzt raus, Sarah.«
»Gut, Josh. Jetzt werfen Sie die Pistole hinter sich auf den 558
Fußboden.«
Er behielt seine rechte Hand auf dem Kopf und warf die Waffe mit einer kurzen Bewegung seines Handgelenks aufs Linoleum. Ich sah, dass sein kahler Schädel schweißnass war und ihm große Schweißperlen übers Gesicht liefen. Angst ist eine gute Sache, die nicht schaden muss, weil sie eine ganz natürliche Reaktion ist; man muss nur damit umgehen und sie beherrschen können. Josh befand sich nicht zum ersten Mal in einer lebensbedrohlichen Situation und wusste genau, was er zu tun hatte.
Einige Augenblicke lang hatte ich das eigenartige Gefühl, nur ein Zuschauer zu sein, der Schauspielern auf einer Bühne zusah. Ich wusste genau, was in Joshs Kopf vorging. Er würde sich fragen, wie er aus dieser bedrohlichen Lage
herauskommen sollte, und auf seine Chance warten, etwas dagegen zu tun – irgendetwas.
Sarah hob Joshs Waffe auf und warf sie für ihn unerreichbar die Bowlingbahn entlang. Das metallische Scheppern hallte von den Wänden wider. Sie sah erneut auf ihre Armbanduhr.
»Okay, Josh, ich sage Ihnen jetzt, was ich von Ihnen verlange. Hören Sie mir zu?«
Er nickte.
»Sie bringen mich zum Salon für Diplomatenempfänge. Sie fungieren als mein Begleiter. Haben Sie verstanden?«
Seine Stimme klang ruhig und gelassen, als er antwortete:
»Das kann ich nicht tun.«
Amerikaner besitzen diese wundervolle feste Überzeugung in Bezug auf sich selbst und ihr Land. Selbst wenn sie bis zum Hals in der Scheiße stecken, glauben sie unerschütterlich daran, dass alles gut werden wird, weil Amerika hinter ihnen 559
steht und die Seventh Cavalry jeden Augenblick
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