Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
bösartigen Großmutter immer ähnlicher wurde.
Ich bemühte mich um einen lockeren Tonfall. »Die beiden sind ganz aufgeregt, weil du schon heute statt erst am Wochenende zu ihnen kommst. Sie können es kaum erwarten, dich zu sehen und sich erzählen zu lassen, wie’s auf dem Schiff gewesen ist.«
»Okay. Heißt das, dass ich wie die anderen am Montag wieder in die Schule muss?«
»Ja, aber bis dahin wirst du dich bei Granny und Grandpa prächtig amüsieren.«
Kelly teilte meinen Optimismus nicht, aber sie war
einsichtig genug, um zu wissen, dass ihre Großeltern, so langweilig sie auch waren, sie von Herzen liebten. Das war der einzige Grund, weshalb ich mich mit ihnen abgab.
Ich ordnete mich wieder in den Verkehr ein, fuhr in
Richtung Blackwell-Tunnel weiter und dachte unterwegs an den bevorstehenden Treff. Kelly schwieg weiter bedrückt und verbissen, und ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, sie wieder zum Reden zu bringen.
Schließlich sagte ich: »Ich rufe dich nächste Woche mal 84
während der Mittagspause in der Schule an. Okay?«
Das munterte sie etwas auf. »Wirklich? Du rufst mich an?«
»Klar doch. Ich weiß nicht, an welchem Tag ich kann, aber ich rufe bestimmt an.«
Kelly musterte mich prüfend und zog vorwurfsvoll die Augenbrauen hoch. »Ist das wieder eines deiner üblichen Versprechen?«
Ich nickte lächelnd. Ich wusste, dass es riskant war, ihr noch etwas zu versprechen, weil meine Versprechen in letzter Zeit die Eigenart hatten, nicht in Erfüllung zu gehen. Ich hatte keine Ahnung, wohin man mich schicken würde, und war mir
bewusst, dass ich hier nur Zeit zu gewinnen versuchte. Ich hasste diesen Teil meiner Verantwortung; ich hasste es, Kelly ebenso zu enttäuschen, wie ich immer wieder enttäuscht worden war.
»Großes Ehrenwort!«, sagte ich. »Dann können wir
besprechen, was wir machen, wenn du Ferien hast. Du wirst schon sehen, ich mache alles wieder gut!«
Kelly studierte mein Gesicht und versuchte abzuschätzen, wie gut die Chancen standen, dass ich ihr einen großen Wunsch erfüllte. »Muss ich wirklich zu Granny und
Grandad?«
Ich konnte mir vorstellen, wie ihr zu Mute war. Sie hatte mir erzählt, dass sie bei Carmen und Jimmy die meiste Zeit damit verbrachte, ihr Sweatshirt wieder aus ihren Jeans zu ziehen, nachdem Carmen es hineingesteckt hatte, »um die Kälte abzuhalten«. Ich wäre auch nicht gern bei den beiden gewesen, aber ich sagte: »Keine Angst, du kommst schon mit ihnen zurecht. Ich rede mit ihnen und frage, ob sie Lust haben, mit dir ins Aquarium zu den Haien zu fahren, von denen wir 85
geredet haben.«
Kelly warf mir einen Blick zu, der mir zeigte, dass sie wusste, dass aus diesem Ausflug ins Aquarium nichts werden würde. Da sie Recht hatte, sprach ich rasch weiter: »Aber auf keinen Fall sollen sie mit dir in den Bloody Tower fahren –
den besichtigen wir gemeinsam, okay?«
Sie nickte langsam. Ich setzte meinen Blinker, um von der M23 auf die Zufahrtsstraße zum Flughafen abzubiegen.
Wegweiser führten uns zum North Terminal, und ich steuerte den Besucherparkplatz an. Kelly gegenüber behielt ich meinen künstlich aufgeregten Tonfall bei. »Pass auf, wir sehen mal nach, ob Granny und Grandad schon da sind, okay? Sind sie noch nicht da, gehen wir irgendwas essen. Hast du schon Hunger?« Das würde Carmen zufrieden stellen.
Kelly schwieg, aber der Blick, den sie mir beim Aussteigen zuwarf, sagte deutlich genug: Spar dir den Scheiß, Blödmann, mir steht’s bis hier oben … Sie wusste nur allzu gut, dass sie abgeschoben wurde, und ich sollte merken, dass sie das wusste. Ich nahm ihre Hand in die eine und ihre Reisetasche in die andere Hand, weil hier dichter Verkehr herrschte, und marschierte mit ihr zum North Terminal hinüber.
Ich hatte vereinbart, dass wir uns im Costa Coffee Shop treffen würden. Der war leicht zu finden – sogar für diese beiden.
Ich sah auf meine G-Shock, die ich mir als Ersatz für die verlorene Armbanduhr gekauft hatte. Diesmal war es eine Baby-G – das neue Modell –, auf deren Zifferblatt ein kleiner Surfer erschien, wenn man die Hintergrundbeleuchtung einschaltete. Das gefiel mir, obwohl der kleine Mann jedes 86
Mal genau gleich surfte. Traurig, aber wahr.
Inzwischen war es kurz nach 13 Uhr. Granny und Grandad waren noch nicht da. Um mein schlechtes Gewissen zu
beruhigen, machte ich mit Kelly einen Rundgang durch die Shops, der ihr Schokolade, einen BA-Teddybären und eine CD
der All Saints
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