Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Weißen Haus positiv gewesen war.
Ich hörte Sarah die Treppe herunterkommen. Das brachte mich in die reale Welt zurück. Josh hatte längst das Thema gewechselt und verbreitete sich jetzt über den Washingtoner
Verkehr, der anscheinend durch zahlreiche Straßensperren behindert wurde. Dann kam Sarah mit unseren Taschen und meiner Jacke herein. Sie hatte vermutlich keine Zeit gehabt, unter die Dusche zu gehen, aber dafür hatte sie reichlich Wimperntusche und einen glänzenden Lippenstift aufgetragen.
Josh stand mit einem Blick auf seine Uhr auf. »Okay, können wir?«
Während ich nach unserem Gepäck griff, lief Josh nochmals die Treppe hinauf. Er sagte nicht, warum, aber wir wussten beide, dass er seine Dienstwaffe holen wollte.
Der Pick-up piepste kurz, und seine Warnblinkanlage leuchtete auf. Josh setzte sich ans Steuer; Sarah und ich gingen hinten um den Wagen herum. Als ich die Beifahrertür öffnete, fiel mir ein Spielzeugauto entgegen. Im Fußraum lagen Buntstifte, ein Malbuch von McDonald’s und weitere Spielsachen. Unser Gepäck stellte ich auf den Rücksitz; unsere Pistolen lagen in den Taschen und würden dort bleiben. Sarah hob das Spielzeugauto vom Gehsteig auf und stieg ein. Ich folgte ihr, denn der Vordersitz bot leicht Platz für uns drei.
Der Morgenhimmel war teilweise bewölkt, aber die Sonne blendete, wenn sie durch Wolkenlücken schien. Ich musste die Augen zusammenkneifen, als ich durch die Windschutzscheibe nach vorn sah. Vom Rückspiegel hing eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern an einem Sicherungsband. Josh streifte sich das Brillenband über seinen kahlen Schädel und drehte den Zündschlüssel nach rechts. Der Achtzylinder sprang dumpf röhrend an, die Antenne wurde automatisch ausgefahren, und der Pick-up setzte sich in Bewegung.
Zu meiner Überraschung drang aus den Radiolautsprechern eine sympathische Frauenstimme, die über den Platz von Jesus in der heutigen Welt sprach. Josh sah zu mir herüber, als habe er das Gefühl, meine unausgesprochene Frage beantworten zu müssen. »Christlicher Sender«, sagte er keineswegs defensiv. »Ein paar meiner Freunde haben mir geraten, da mal reinzuhören. Das hat mir viel geholfen. Ich bin sogar schon zu ein paar Gottesdiensten gegangen.«
»Das ist gut, Josh«, sagte ich und fragte mich zugleich, ob er beim Bibelstudium schon bis zu Judas gekommen war.
Wir fuhren nach Norden - die Strecke zurück, die wir gestern mit dem Taxi gekommen waren. Unterwegs erzählte uns Josh, wie lange er schon nicht mehr im Weißen Haus gewesen war und warum ihm die gewohnte Arbeit fehlte. Was er überhaupt nicht vermisse, sagte er, während wir allmählich in Richtung Stadtmitte krochen, sei dieser Verkehr. Den könne er nicht ausstehen. Nach allem, was wir bisher erlebt hatten, war das nur allzu verständlich.
Als vor uns eine Tankstelle auftauchte, erinnerte Sarah ihn daran, dass wir noch eine Einmalkamera kaufen wollten. Nach fünfundzwanzig Minuten befanden wir uns endlich wieder auf dem Jefferson Davis Highway und näherten uns dem Pentagon. Josh fuhr jedoch nicht daran vorbei, sondern bog nach rechts auf eine Brücke über den Potomac River ab. Nun produzierte er sich als Fremdenführer. »Das dort drüben links ist das Jefferson Memorial, und weiter vorn kommt das Lincoln Memorial. Sarah, wenn ihr nächstes Mal nach Washington kommt, musst du bei Sonnenuntergang mit Nick zum Reflecting Pool fahren; wie sich die Sonne im Wasser spiegelt, ist echt romantisch - wie im Kino!«
Wir hatten reichlich Zeit, die Aussicht zu genießen, denn der Verkehr staute sich bis halb über die Brücke. Irgendwann erreichten wir die 14 th Street und fuhren auf dieser Straße, die den breiten Grünstreifen der National Mall, die sich vom Kapitol bis zum Lincoln Memorial am Potomac erstreckt, genau in der Mitte durchschneidet, nach Norden weiter.
Nachdem wir die Mall überquert hatten, bogen wir noch einige Male ab, bis Josh sagte: »Da steht er also - der Hort alles Bösen.« Wir fuhren am Ziel vorbei und ließen es links liegen. »Wegen der Einbahnstraßen müssen wir eine ganze
Runde drehen. Aber das ist in Ordnung, denn auf diese Weise bekommt ihr das Weiße Haus von allen Seiten zu sehen.«
Sobald wir unsere Runde entgegen dem Uhrzeigersinn beendet hatten, befanden wir uns in der 17 th Street. Das Weiße Haus mit seiner berühmten Fassade war nach Norden ausgerichtet und stand zwischen zwei Parks: dem Lafayette Park, der zum Fußgängerbereich vor dem
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