Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
gehabt, sie halte etwas vor mir zurück, und in meiner Dämlichkeit angenommen, das liege daran, dass sie Angst vor emotionaler Nähe habe.
Ich lehnte mich zurück und begann, am Etikett meiner Pilsflasche herumzuzupfen. Der Alte verrenkte sich den Hals, um die Schlagzeilen meiner Zeitung lesen zu können. Ich schob sie ihm über den Tisch.
Auch der vorletzte Abend war schwülheiß gewesen. Lynn hatte mich wie gewohnt zu unserer täglichen Befragung zur Vernehmung abgeholt - diesmal jedoch mit seinem neuen Voyager. Das Budget der Firma musste im neuen Haushaltsjahr aufgestockt worden sein. Die Klimaanlage arbeitete auf Hochtouren. Der Serbe hielt seinen Blick wie immer starr nach vorn auf die Straße gerichtet.
»Weshalb haben Sie das alles geschehen lassen?«, fragte ich. »Wieso haben Sie sie nicht früher verdächtigt?«
Lynn betrachtete weiter die reale Welt außerhalb der dunkel getönten Scheiben. »Elizabeth hat gewisse Bedenken geäußert.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben unauffällig ein paar Leute befragt, aber nichts Konkretes herausbekommen. Das in Syrien unter falscher Flagge ablaufende Unternehmen schien uns eine gute Gelegenheit zu sein, sie auf die Probe zu stellen.«
Lynn hielt offenbar mehr Stücke des Puzzles in der Hand, als er mich sehen ließ, aber er vertraute mir immerhin an, dass die Firma das Syrienunternehmen nur übernommen hatte, um überprüfen zu können, ob Sarah etwa für Bin Laden arbeitete. Auf diese Idee war Elizabeth gekommen. Sarah erschoss den als »Quelle« bezeichneten Mann, veränderte die sichergestellten Informationen und verwischte ihre Spuren. Darauf verstand sie sich. Ich dachte daran, wie sie den Amerikaner mit einem Genickschuss erledigt hatte, nachdem sie ihm im Wald seine Kleidung abgenommen hatte.
Aber in Syrien war Sarah nicht gut genug gewesen. Ohne es zu ahnen, hatte sie durch ihr Verhalten bestätigt, dass sie nicht gerade jeden Abend »Rule Britannia« summte, wenn sie zu Bett ging. Danach ging es nur noch darum, sich von ihr zu Bin Laden führen zu lassen. Das einzige Problem für Elizabeth war, dass sie es versäumt hatte, die Amerikaner zu informieren, als Sarah nach Washington versetzt wurde.
Lynn wandte sich mir zu und sah mich an, als wolle er das Gewicht seiner nächsten Enthüllung unterstreichen. »Aus dem Ruder gelaufen ist die Geschichte, als Sarah sich aktiv an den Vorbereitungen für das Attentat beteiligt hat«, sagte er. »Wie hätten wir das unseren Freunden in Übersee erklären können? Deshalb haben wir Sie gebraucht.«
Ich ließ diese Mitteilung auf mich einwirken - wie all den übrigen Scheiß, den ich zu kapieren versuchte.
Das Ermittlerteam klammerte sich an Strohhalme, um eine Erklärung für Sarahs Verhalten zu finden, und mir erging es nicht viel besser. Ich fragte Lynn: »Wissen Sie, warum sie übergelaufen ist?« Da er alles zu wissen schien, konnte er vielleicht auch diese Frage beantworten.
»Das werden wir nie ganz sicher wissen, nicht wahr? Ein Mann wie T. E. Lawrence gibt uns noch heute Rätsel auf . und wer kennt die wahren Motive Philbys und seiner Mitspione?« Lynn machte eine Pause. »Ein Team hat Sarahs Mutter aufgesucht, um ihr die Mitteilung vom Tod ihrer Tochter zu überbringen. Sie ist natürlich traurig gewesen - aber auch sehr stolz darauf, dass ihre Tochter sich im Dienst ihres Landes heldenmütig geopfert hat.«
»Ich dachte, ihre Eltern seien tot.«
»Nein, nur ihr Vater. Er ist gestorben, als sie siebzehn war. Unser Team ist mehrere Wochen lang mit der Mutter im Gespräch geblieben. Es hat sie unter Vorwänden ausgehorcht, wissen Sie, um vielleicht nützliche Hinweise oder Querverbindungen zu entdecken.«
Sarahs Vater, George, hatten die Ermittler erfahren, war in führender Stellung bei einem Ölkonzern tätig und privat ein strenger Erzieher und großer Heuchler gewesen. Er hatte sein gesamtes Arbeitsleben im Nahen Osten verbracht, ohne die Araber jemals zu mögen - außer sie waren von königlichem Geblüt oder reich, am besten beides, und nahmen alles, was aus dem Westen kam, bereitwillig an. Zu diesen »guten« Arabern gehörten ganz bestimmt nicht sein Hausbesorgerehepaar und dessen neunjähriger Sohn.
Nach Aussage von Sarahs Mutter war die Freundschaft zwischen Sarah und Abed völlig harmlos. Tatsächlich war ihre
Tochter nur sehr einsam gewesen. Aber nach Georges Überzeugung steckte in jedem Araber ein Vergewaltiger, der nur auf eine günstige Gelegenheit lauerte.
Die beiden
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