Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
aus. Oder vielleicht hatte er einen Mann mit Stockschirm und
Melone erwartet.
Die Gittertür war eigens mit zwei Schlössern gesichert. Sobald ich eingetreten war, wurden Haus- und Gittertür hinter mir abgesperrt und die Schlüssel herausgezogen.
Er hielt seine Hände hoch. »Hey, du kannst Worsim zu mir sagen.« Er wackelte mit den Fingern - oder vielmehr mit den noch verbliebenen - in der Luft. »Das tun alle. Worsim heißt auf Russisch acht.«
Dann musterte er mich erneut, während wir beide über diesen Scherz lächelten, den er vermutlich schon tausendmal gemacht hatte. »Hey, komm mit, Engländer.«
Ich folgte Acht eine schmale Holztreppe in den ersten Stock hinauf. Geländerpfosten und Handlauf waren aus abgegriffenem Holz, die nackten Stufen durchgetreten. Die einzige Beleuchtung war der trübe Lichtschein, der durch die Erdgeschossfenster hereinfiel. Ich konnte nur ahnen, wohin meine Füße traten.
Dieses alte Haus musste früher eine hochherrschaftliche Villa gewesen sein. Ich konnte nirgends eine Bar entdecken, aber hier war es zumindest warm und trocken - fast zu trocken. Im Haus herrschte der Staubgeruch, der sich einstellt, wenn die Fenster niemals geöffnet werden, obwohl die Heizung ständig läuft.
Unsere Schritte hallten durchs Treppenhaus. Acht, der ungefähr drei Stufen über mir war, trug die grellsten purpurrot-gelben Nike-Sportschuhe, die ich je gesehen hatte, und darüber sackartige, blaue Hip-Hop-Jeans, die »stonewashed« waren - die Art mit grässlich aussehenden weißen Streifen -, und eine schwarze
Bomberjacke aus Kunstleder mit dem Piratensymbol der L. A. Raiders als Rückenstickerei.
Dann erreichten wir einen Treppenabsatz und wandten uns der zweiten Treppenhälfte zu, die in den ersten Stock hinaufführte. Durch die Lamellen der innen angebrachten Fensterläden fiel schwaches Tageslicht. Alle Türen, an denen wir vorbeikamen, hatten kunstvoll gearbeitete Füllungen und Porzellanklinken mit verblassten, gemalten Blumenmustern; die Villa musste zum Zeitpunkt ihrer Erbauung prächtig gewesen sein.
Wir passierten den ersten Stock, stiegen in den zweiten hinauf und gingen dort einen Flur entlang. Acht öffnete die Tür eines Raumes, der zum Fluss hinausführte. »Du heißt Nick, richtig?«
»Yeah, das stimmt.« Ich erwiderte seinen Blick nicht, als ich an ihm vorbeiging. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir anzusehen, was mich in diesem Raum erwartete.
Die einzige Lichtquelle war eine nackte Glühbirne, die in der Raummitte an der Decke hing. Ihr trübes, gelbliches Licht hatte ich von draußen gesehen. Der sehr große Raum lag im Halbdunkel und war völlig überheizt. Das schwache Lampenlicht reichte praktisch nur dazu aus, den unter der hohen Zimmerdecke hängenden Zigarettenqualm zu beleuchten. Links von mir sah ich einen mit heruntergedrehtem Ton laufenden Fernseher, vor dem ein Kerl hockte. Geradeaus vor mir, ungefähr zehn bis zwölf Meter entfernt, befand sich ein einzelnes Schiebefenster, dessen geöffnete Läden etwas Tageslicht hereinlassen sollten. Hier gab es weder Teppiche noch
Bilder, nur leeren Raum.
Rechts von mir saßen vor einem großen Marmorkamin drei Männer auf vergoldeten Polsterstühlen um einen kostbar aussehenden antiken Tisch mit geschwungenen Beinen. Sie spielten Karten und rauchten. Links neben dem Kamin sah ich eine weitere Tür.
Die drei Sitzenden drehten sich halb um und starrten mich an, während sie an ihren Zigaretten zogen. Ich nickte ihnen zu, ohne die geringste Reaktion wahrzunehmen. Dann sagte einer der Kerle etwas, über das die beiden anderen laut lachen mussten, und das Spiel ging weiter.
Hinter mir wurde die Tür geschlossen. Ich sah mich nach Acht um, der vor Aufregung kaum stillstehen konnte. »Okay, Mann ...« Er bewegte seine Arme wie ein Rapper. »... du bleibst vorläufig hier, ja? Worsim kommt gleich wieder. Ich hab was zu erledigen, Mann.« Damit legte er die Hausschlüssel auf den Tisch und verschwand durch die Tür neben dem Kamin.
Ich sah zu dem Kerl vor dem Farbfernseher hinüber. Das Bild war etwas verschwommen, was daran liegen mochte, dass das Gerät auf einem Stuhl stand und einen Drahtkleiderbügel als Antenne hatte. Der Mann hockte auf einem Stuhl so dicht davor, dass seine Nase fast den Fernsehschirm berührte, und war von der Sendung so gefesselt, dass er sich nicht einmal nach mir umdrehte. Der Fernseher strahlte mehr Licht ab als die Glühbirne an der Decke; mir war es ein Rätsel, wie die anderen Kerle
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