Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Vauxhall Bridge. Während ich über die Brücke aufs Südufer der Themse fuhr, sah ich zu Vauxhall Cross hinüber, wo der SIS (Secret Intelligence Service) residierte. Mit greller Neonreklame hätte die SIS-Zentrale, eine von zwei hohen Türmen flankierte, schwarz-beige Pyramide mit gekappter Spitze, ohne weiteres nach Las Vegas gepasst.
Genau gegenüber von Vauxhall Cross, auf der anderen Straßenseite und ungefähr 100 Meter entfernt, verlief ein Gleis der Hochbahn, das zum Bahnhof Waterloo führte. Die meisten Räume unter den gemauerten Bogen waren als Läden oder Lager vermietet. Ich fuhr an der SIS- Zentrale vorbei über eine Kreuzung mit fünf einmündenden Straßen und parkte meine Maschine vor einem großen Motorradgeschäft, das zwei Bogen unter dem Hochbahngleis einnahm. Hier hatte ich meine Ducati gekauft, aber ich ging heute nicht in den Laden, sondern nutzte nur diesen bequemen Parkplatz. Nachdem ich kontrolliert hatte, dass das Sitzschloss eingerastet war, damit mir niemand meine Pistole klauen konnte, verstaute ich meinen Helm im Rucksack, überquerte die Kreuzung auf einer eisernen Fußgängerbrücke und betrat die SIS-Pyramide durch eine Metalltür, die zum Empfangsbereich führte.
Innen sah die Zentrale der Firma wie jedes andere Gebäude eines Hightech-Konzerns aus: modern, elegant und mit der Atmosphäre eines effizienten
Großunternehmens, dessen Mitarbeiter ihre Ausweise durch Kartenleser führten, um Zutritt zu erhalten. Ich ging zum Empfang weiter, an dem zwei Frauen hinter dicken Panzerglasscheiben saßen.
»Ich möchte zu Mr. Lynn.«
»Tragen Sie sich bitte hier ein?« Die Ältere schob das Besucherbuch durch den Schlitz unter der Scheibe.
Während ich mich eintrug und in dem dafür vorgesehenen Kästchen unterschrieb, nahm sie den Telefonhörer ab. »Wen soll ich melden?«
»Ich heiße Nick.« Seit der Katastrophe in Washington hatte ich nicht einmal mehr einen auf einen falschen Namen ausgestellten Ausweis, sondern nur meine eigenen falschen Papiere, von denen die Firma hoffentlich nie erfahren würde. Ich hatte sie mir für den Fall besorgt, dass ich irgendwann würde untertauchen müssen - ein Gefühl, das ich jeden Monat mindestens einmal hatte.
Das Besucherbuch enthielt Abreißetiketten. Eine Hälfte wurde abgerissen und kam in eine Plastikhülle, die ich anstecken musste. Mein Besucherausweis war blau mit dem Aufdruck Ständig zu begleiten.
Die Frau legte den Hörer auf und deutete zu einer Reihe weicher blauer Sessel hinüber. »Sie werden gleich abgeholt.«
Ich steckte den hübschen blauen Ausweis an, setzte mich und beobachtete, wie Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen kamen und gingen. Die moderne Masche, freitags Freizeitkleidung zu erlauben, war noch nicht bis hierher vorgedrungen. Leute wie ich kamen nicht oft in die Zentrale; mein letzter Besuch war 1997 gewesen. Auch damals hatte ich mich hier unwohl gefühlt. Diese Leute verstanden es, einem das Gefühl zu vermitteln, als K sei man hier nicht sehr willkommen, weil man durch sein Aufkreuzen den eleganten KonzernLook der Zentrale beeinträchtigte.
Nach etwa zehn Minuten, in denen ich mir wie ein Schüler vorkam, der vor dem Büro des Direktors wartet, kam ein älterer Asiat in einem flotten Nadelstreifenanzug durchs Drehkreuz.
»Nick?«
Ich nickte und stand auf.
Er lächelte schwach. »Wenn Sie bitte mitkommen wollen?« Er brauchte nur die Karte, die er um den Hals hängen hatte, durchs Lesegerät zu führen, um das Drehkreuz passieren zu können; ich musste durch den Metalldetektor gehen, bevor wir uns auf der anderen Seite trafen und miteinander zu den Aufzügen gingen.
»Wir fahren in den vierten Stock.«
Ich nickte und hielt den Mund, während der Lift uns nach oben trug. Der alte Knabe brauchte nicht zu wissen, dass ich das wusste. Das ersparte mir belangloses Gerede.
Im vierten Stock ging ich neben ihm her. Aus den Büros auf beiden Seiten des Korridors drang kein Laut; ich hörte nur das Summen der Klimaanlage und das leise Knarren meiner Lederkleidung.
Am Ende des Flurs bogen wir links ab und kamen an Lynns ehemaligem Büro vorbei. Jetzt hatte es ein gewisser Turnbull. Zwei Türen weiter sah ich Lynns Namen auf dem Schild neben der Tür. Als mein Begleiter anklopfte, hörte ich Lynns typisches energisches »Herein!« Er ließ mich eintreten und schloss leise die Tür hinter mir. Vor mir sah ich Lynns kahlen Schädel, der nur von einem Haarkranz umgeben war. Lynn saß an seinem Schreibtisch und
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