Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
hatte, wenn ihm etwas unlogisch erschienen war. Mit diesem durchdringenden, forschenden Blick hatte sie mich schon im Hotel gemustert, als ob sie meine Gedanken lesen wollte, ohne selbst etwas von sich preiszugeben. Das war mir unbehaglich, deshalb bückte ich mich, um meinen Helm aufzuheben und zu gehen.
Sie lehnte sich zurück und schlug ihre langen Beine übereinander.
»Nick, ich habe einen Vorschlag für Sie - von Valentin.«
Ich ließ den Helm liegen, äußerte mich aber nicht dazu. Ich hatte mühsam genug gelernt, dass es sich lohnt, daran zu denken, dass wir zwei Ohren, aber nur einen Mund haben.
Ihr Blick blieb kühl. »Interessiert?«
Natürlich war ich das. »Im Prinzip ja.« Ich hatte keine Lust, den ganzen Nachmittag wie die Katze um den heißen Brei zu schleichen, und Liv sah ohnehin nicht wie jemand aus, der das tut. Also konnten wir gleich zur Sache kommen. »Was will er von mir?«
»Der Auftrag ist einfach, aber er muss geschickt ausgeführt werden. Valentin braucht jemanden - und dafür will er Sie -, der einem zweiten Mann hilft, in ein Haus in Finnland einzudringen. Dieser andere Mann ist ein Kryptograf - ein hoch spezialisierter Hacker, wenn Sie so wollen. In dem Haus stehen Computer, zu deren Dateien der Kryptograf sich Zugang verschafft, um sie auf einen Laptop herunterzuladen und mitzunehmen. Und bevor Sie fragen: Bei den gespeicherten Daten handelt es sich nur um Informationen der Konkurrenz, die Valentin gern in seinem Besitz hätte.«
Sie stellte ihre Beine wieder nebeneinander und öffnete eine ihrer Tragetaschen.
»Sie meinen Industriespionage?«
»Das stimmt nicht ganz, Nick. Mehr kommerziell als industriell. Valentin möchte, dass Sie bei der Beschaffung dieser Informationen helfen, ohne dass die Besitzer ahnen, dass jemand in ihr Haus eingedrungen ist. Wir wollen, dass sie glauben, nur sie besäßen diese Informationen.«
»Ist die Sache wirklich so simpel?«
»Es gibt ein paar kleinere Komplikationen, über die wir reden werden, falls Sie interessiert sind.«
Das war ich, aber kleinere Komplikationen gab es nie. Sie erwiesen sich immer als größere. »Wie viel?«
Ich musste auf ihre Antwort warten, während Liv mit Seidenpapier raschelnd eine cremefarbene Kaschmirstrickweste aus einer Harvey-Nichois-Tasche zog. Dann lehnte sie sich wieder zurück, legte die Strickweste auf ihre Knie, steckte ihr Haar wieder hinters Ohr und sah mich ernsthaft an.
»Valentin bietet Ihnen eins Komma sieben Millionen Dollar - als Erfolgsprämie, versteht sich.« Sie hob eine Hand. »Darüber kann nicht verhandelt werden. Das ist sein Angebot: gut eine Million Pfund. Valentin will, dass Sie eine runde Summe in Ihrer eigenen Währung bekommen. Sie sind ein Glückspilz, Nick, er mag Sie.«
Bisher klang alles wie ein Wirklichkeit gewordener Traum. Allein das machte mich misstrauisch, aber scheiß drauf, wir redeten schließlich erst darüber. »Valentin ist mächtig genug, um sich alles, was er will, mit Gewalt zu holen. Wozu braucht er da mich?«
Sie entfernte geschickt die Preisschilder von der Strickweste und ließ sie in die Tragetasche fallen. »Dieser Job erfordert Finesse, nicht rohe Gewalt. Wie ich schon gesagt habe, darf niemand wissen, dass Valentin diese Informationen besitzt. Er würde es jedenfalls vorziehen, sich das Material mit unorthodoxen Methoden zu beschaffen. Die Sache ist delikat, und wie sich in Helsinki gezeigt hat, sind Sie für solche Dinge vermutlich der richtige Mann.«
Alles gut und schön, aber jetzt wurde es Zeit, ein paar Fragen zu stellen. »Was soll ich eigentlich genau beschaffen?«
Liv zog die Strickweste an, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ich merkte, dass sie noch immer abzuschätzen versuchte, ob ich den Anforderungen genügte. »Das brauchen Sie nicht zu wissen, Nick. Wichtig ist nur, dass wir der Maliskija zuvorkommen.«
»Sie meinen, dass wir’s vor der Maliskija stehlen?«, warf ich ein.
Sie lächelte. »Nicht >stehlen<, sondern kopieren. Herunterladen. Ihre Aufgabe ist es, unserem Mann dort Zutritt zu verschaffen und ihn wieder herauszubringen, ohne dass jemand etwas davon merkt. Das wäre Ihr Auftrag, wenn Sie möchten, dass ich fortfahre.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Maliskija muss der russische Ausdruck für >kleinere Komplikationen< sein.«
Liv lächelte nochmals und ließ dabei zwischen leicht geöffneten Lippen perfekte weiße Zähne sehen. »Der Westen bezeichnet uns als Russenmafia, als seien wir eine homogene
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