Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Gruppierung. Aber das sind wir nicht. Wir bestehen aus vielen Gruppen. Die Maliskija ist eine Fraktion, und Valentin ist ihr einziger wirklicher Konkurrent. Unabhängig davon, was Sie von ihm halten, ist er ein Mann mit Visionen. Das ist die Maliskija nicht; diese Leute sind nur Gangster. Sie dürfen unter keinen Umständen an dieses Material herankommen. Das wäre eine Katastrophe für uns alle - für den Westen ebenso wie für den Osten. Mehr will ich dazu nicht sagen. Möchten Sie, dass ich fortfahre?«
Natürlich wollte ich das. Es ist immer gut, mehr über die Leute zu wissen, gegen die man antritt. Allerdings hatte sie mir bisher nichts erzählt, was ich nicht schon von Val gehört hatte. Ich hörte aufmerksam zu, als sie mir auseinander setzte, dass das Zielgebäude noch dafür vorbereitet wurde, die >Konkurrenzinformationen< zu verarbeiten, auf die Val es abgesehen hatte. Erst wenn es sechs oder sieben Tage online war, konnte ich ihren Mann dort hineinbringen, damit er das gewünschte Material kopierte. Das Problem dabei war, dass die Maliskija den Standort des Gebäudes sehr rasch ermitteln würde, sobald es online ging.
»Es geht also darum, schneller zu sein, Nick. Ich betone nochmals: Wir müssen der Konkurrenz
zuvorkommen, aber niemand darf wissen, dass wir dieses Material haben.«
Aus meiner Sicht war das in Ordnung. Aufträge dieser Art hatte ich seit Jahren ausgeführt - für weit weniger als 1,7 Millionen Dollar. Vielleicht war dies meine Chance, mein Leben - und Kellys Leben - endgültig auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Dann konnte ich allen den Stinkefinger zeigen, vor allem Lynn. Seit dem heutigen Gespräch mit ihm war ich echt sauer. Lynn wusste, dass ich im Gegensatz zu ihm verschont worden war, weil ich der Firma als Agent nützen konnte, während er nur irgendein kleiner Bürokrat war. Und seit Washington wusste die Firma, dass sie mich in der Hand hatte, und ich hasste es, wenn Leute mich in der Hand hatten.
»Dass ich nach Finnland zurückkehren soll, macht mir Sorgen«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass ich dort sehr beliebt bin.«
Liv lächelte geduldig. »Dort fahndet niemand nach Ihnen, Nick. Nach Ansicht der finnischen Polizei war die Entführung eine rein russische Angelegenheit. Auch Valentin hat diese Version in seiner Zeugenaussage bestätigt. Keine Sorge, das ist kein Thema. Müssten wir fürchten, Sie könnten verhaftet werden, hätte Valentin es nie riskiert, Ihnen diesen Auftrag anzubieten.«
Sie ließ mir Zeit, über alles nachzudenken, während sie Fusseln von ihrer neuen Strickweste zupfte. »Die anderen waren hoffentlich nicht Ihre Freunde?« Sie sah auf. »Bei der Auswahl Ihres Teams haben Sie vielleicht keine sehr glückliche Hand gehabt?«
Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. Was hätte ich dazu sagen sollen?
»Das habe ich mir gedacht.« Sie rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, um die Fusseln auf den Fußboden fallen zu lassen.
In den folgenden zehn Minuten stellte ich Fragen, von denen kaum eine zufrieden stellend beantwortet wurde. Der Auftrag, behauptete Liv, sei ganz einfach, aber mir kam er keineswegs risikoarm vor. Für meinen Geschmack blieben zu viele Fragen unbeantwortet. Wie viele Leute waren in dem Haus? Wie war es gesichert? Wo zum Teufel lag es überhaupt? Ich durfte nicht einmal wissen, wen ich dort einschleusen sollte. Das alles würde ich erst erfahren, wenn ich unterschrieben hatte. Andererseits war der Unterschied zwischen 1,7 Millionen Dollar und 290 Pfund pro Tag zu groß, als dass ich ihn hätte ignorieren können.
Liv hielt mir einen zusammengefalteten Zettel hin. Ich machte fünf Schritte und nahm ihn ihr aus der Hand.
»Auf dem Zettel stehen Adresse und Telefonnummer des Mannes, den Sie mitnehmen werden - falls Sie ihn dazu überreden können. Gelingt Ihnen das, steigt Ihr Honorar auf zwei Millionen Dollar, damit Sie ihn bezahlen können. Nun zu einer weiteren kleinen Komplikation: Da weder Valentin noch ich riskieren dürfen, mit dieser Sache in Verbindung gebracht zu werden, fungieren Sie als Kontaktmann. Es ist Ihre Aufgabe, ihn zum Mitmachen zu überreden.«
Ich ging zu meinem Helm zurück. Auf dem Zettel standen eine Adresse und eine Telefonnummer in Notting Hill.
»Er heißt Tom Mancini«, sagte Liv. »Ich glaube, Sie
kennen ihn.«
Ich drehte mich nach ihr um. Dieser Name kam mir bekannt vor, aber das machte mir keine Sorgen. Was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass sie über mich Bescheid wusste,
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