Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Chance hat und ständig unter Druck steht, aber die Peugeotfahrerin war besonders unfähig gewesen.
Der Wagen konnte mit Foto- und Videokameras ausgerüstet sein, die hinter dem Kühlergrill versteckt oder als Bestandteil der Scheinwerfer oder Heckleuchten getarnt waren. Beim Vorbeifahren an der Zielperson löst der Fahrer elektronisch die Kamera aus, die mit Motorantrieb in kürzester Zeit einen ganzen Film verbraucht. Deshalb ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts so wichtig: Betätigt man den Auslöser zu früh, kann der Film verschossen sein, bis man die Zielperson erreicht. Oder sie kann während der Anfahrt überraschend hinter einen geparkten Wagen treten, sodass der Mühe Lohn eine hübsche Aufnahme von einem Ford Fiesta und ein Anschiss vom Chef bei der Einsatzbesprechung sind.
Die Videokamera arbeitet zuverlässiger, aber sie nimmt im Vorbeifahren nur ein paar holperige Sekunden lang auf, wie die Zielperson sich bewegt. Die Leute von E4 würden sich diesmal mit Aufnahmen von einem
Biker, der eine Sturmhaube trug, begnügen müssen. Das war ein befriedigender Gedanke. Ich hatte keine Ahnung, wo diese Bilder schließlich landen würden, aber ich wusste, dass Lynn sauer sein würde, wenn er sie auf seinen Schreibtisch bekam.
Ich sah wieder in meinen Rückspiegel. Wie auf ein Stichwort hin tauchte darin ein Motorradscheinwerfer auf. Das brauchte kein Beschatter zu sein, aber das ließ sich feststellen.
Ich fuhr wie eine dieser traurigen Gestalten Ende vierzig, Anfang fünfzig. Die Kinder sind schon groß, das Haus ist so gut wie abbezahlt, deshalb wollen sie jetzt das Motorrad, das ihre Mami sie nie hat fahren lassen. Meistens ist es die größte, dickste Tourenmaschine, die sie mit ihrer Amex-Platinkarte kaufen können, und sie fahren damit ins Büro und nach Hause, ohne der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch nur nahe zu kommen. Ich fuhr gern schnell, aber jetzt trödelte ich bewusst, um zu sehen, ob der einzelne Scheinwerfer weiter hinter mir bleiben würde.
Das tat er nicht.
Der andere Biker schoss auf einer acht Jahre alten verölten Honda 500 mit einer verbeulten blauen Plastikkiste, die mit Gummistrapsen auf dem Gepäckträger befestigt war, an mir vorbei. Zu abgewetztem Lederzeug trug er Gummistiefel, und als er mich überholte, wandte er mir sein bärtiges Gesicht mit der altmodischen Schutzbrille zu und musterte mich verächtlich. Ich wusste genau, was er von mir dachte.
Hinter mir tauchten immer wieder Motorräder auf, die sich durch den Verkehr schlängelten. Ich wechselte in die mittlere Spur, drehte kurz auf, überholte ein paar Autos, scherte wieder ein und kroch hinter einem rostigen Ford Transit weiter. Ich ließ mich von ein paar Motorrädern und Mopeds und sogar von einem Fahrrad überholen, bis nach mehreren Ampeln feststand, dass zwei Autos hinter mir ein weiterer Sonntagsfahrer unterwegs war.
Als ich an der nächsten Kreuzung links abbog, folgte er mir.
Auf der Suche nach einem plausiblen Zwischenstopp hielt ich vor einem Zeitungsladen. Ich stellte die Ducati auf dem Seitenständer ab, nahm in aller Ruhe meinen Helm ab und zog langsam die Handschuhe aus, während eine Yamaha VFR mit M-Kennzeichen an mir vorbeifuhr. Ich konnte mir vorstellen, wie der Fahrer in sein Helmmikrofon schwatzte, damit alle wussten, wo ich war. »Halt! Halt! Halt! Charlie eins (das Motorrad) links vor dem Zeitungsladen abgestellt. Bravo eins (ich) noch komplett (auf der Ducati).«
Als er weg war, nahm ich den Sturzhelm ab, ließ aber die Sturmhaube auf, stieg ab und betrat den Laden. Ich konnte nicht einfach weiterfahren, weil das bewiesen hätte, dass ich von der Überwachung wusste.
Die junge Frau hinter der Theke wirkte besorgt, weil ich meine Sturmhaube nicht abgenommen hatte. An der Wand hinter ihr hing ein Schild mit der höflichen Aufforderung, genau das zu tun. Hätte sie’s verlangt, hätte ich ihr in meinem schlimmsten Cockneyakzent erklärt, meine Haube bleibe auf, weil mich friere, und sie könne mich mal. Ich wollte nicht, dass das Team
vorbeikam und das Videoband der Überwachungskamera mit meiner Wenigkeit darauf beschlagnahmte. Aber sie wollte keinen Streit mit mir; was kümmerte es sie, wenn ich die Ladenkasse ausrauben wollte? Das hätte für sie gefährlich werden können.
Ich kam mit dem Evening Standard unter den Arm zu meiner Ducati zurück. Vermutete ich richtig, war jetzt an beiden Enden der Straße je ein Motorrad postiert. Im Funk würde Chaos herrschen, während außer
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