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Nick Stone - 04 - Eingekreist

Nick Stone - 04 - Eingekreist

Titel: Nick Stone - 04 - Eingekreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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nicht gerade hochmodernen Waffe und zweifelhafter Munition
    zurechtkommen und war außerdem nicht in Übung.
    Ein Herzschuss würde das Opfer wahrscheinlich
    bewusstlos zusammensinken und nach zehn bis fünfzehn Sekunden sterben lassen. Dasselbe galt für die Leber, weil ihr Gewebe so weich war; selbst ein naher
    Fehltreffer konnte diese Wirkung haben. Während ein Geschoss den Körper durchschlägt, lässt seine
    Druckwelle im umgebenden Gewebe und in den
    benachbarten Organen hohe Druckspitzen entstehen, die katastrophale Auswirkungen haben.
    Ein Lungentreffer konnte Michael außer Gefecht
    setzen, brauchte aber nicht tödlich zu sein, wenn er schnell genug behandelt wurde. Ideal war ein Treffer, bei dem das Geschoss oberhalb der Schulterblätter
    durchs Rückgrat austrat – oder es dort traf, falls der junge Mann mir in diesem Augenblick den Rücken
    zukehrte. Dieser Treffer musste die Wirkung haben, auf die meine Londoner Scharfschützen es abgesehen gehabt hatten: Michael Choi würde tot zusammenbrechen.
    In der Theorie klang das alles wunderbar, aber ich
    würde zahlreiche weitere Faktoren berücksichtigen
    müssen. Vielleicht musste ich auf ein sich bewegendes Ziel schießen, vielleicht herrschte zum Zeitpunkt des Attentats starker Wind. Vielleicht bot sich mir nur ein Teil seines Körpers als Ziel an, vielleicht musste ich aus 318
    einem fast unmöglichen Winkel schießen.
    Ich versuchte, nicht an den jungen Mann zu denken,
    der aus dem Lexus gelächelt hatte, während ich die etwa zweihundert Meter bis zum Waldrand hinüberging, die Tragetasche und den Blechbehälter mit Munition
    abstellte, eine Zeit lang im Schatten stehen blieb und zu dem Hügel hinübersah, der das Zielgebiet sein würde.
    Dann machte ich mich auf den Weg zu dem
    ansteigenden Gelände.
    Dort fand ich einen geeigneten Baum, an dessen
    Stamm ich in Brusthöhe mit Reißzwecken ein Stück
    Papier befestigte. Mit dem Markierstift zog ich einen Kreis von der Größe eines Zweipfundstücks und malte ihn schwarz aus. Der Kreis war etwas ungleichmäßig
    und hatte ausgefranste Kanten, weil die Baumrinde den Stift mehrmals abgleiten ließ, aber es würde genügen müssen.
    Als Nächstes befestigte ich über und unter diesem
    Blatt zwei weitere Blätter Papier, bevor ich mich mit Gewehr und Munitionsbehälter auf den Rückweg
    machte, wobei ich genau hundert Einmeterschritte
    abzählte. Selbst wenn das Zielfernrohr völlig verstellt war, würde ich aus dieser Entfernung mit etwas Glück wenigstens das Blatt Papier treffen und so sehen, wie groß die Abweichung war. Betrug die Abweichung aus
    hundert Metern beispielsweise fünf Zentimeter, würde sie sich bei zweihundert Metern verdoppeln und so
    weiter. Ein Probeschuss aus dreihundert Metern konnte fünfzehn Zentimeter zu hoch oder zu niedrig, zu weit links oder rechts liegen – oder das Blatt ganz verfehlen.
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    Die Trefferlage während des Schusses beobachten zu
    wollen, wäre Zeitverschwendung gewesen, die ich mir nicht leisten konnte.
    Nach hundert Einmeterschritten den Waldrand
    entlang überzeugte ich mich davon, dass der Boden frei von Ungeziefer war, setzte mich mit dem Rücken an
    einen Baumstamm und zog langsam den
    Verschlusshebel nach hinten. Die Waffe war wundervoll präzise gearbeitet; ihre gut eingeölten Verschlussteile glitten fast ohne Reibung übereinander. Als ich den Verschlusshebel in Richtung Schaft nach unten drückte, hörte ich ihn mit einem leisen Klicken einrasten.
    Vor dem ersten Schuss musste ich feststellen, wie
    hoch die benötigte Abzugskraft war. Ausreichend hoher Druck bewirkt, dass der Schlagbolzen nach vorn
    schnellt, ohne dass das Gewehr sich bewegt. Die
    erforderliche Kraft unterscheidet sich von Waffe zu Waffe, und die meisten Scharfschützengewehre lassen sich je nach den Bedürfnissen des Schützen einstellen.
    Aber ich wusste nicht, wie die Verstellung bei einem Mosin-Nagant funktionierte, und war ohnehin nicht so anspruchsvoll wie Profis – ich passte mich einfach den gegebenen Verhältnissen an.
    Ich legte die Fingerbeere meines rechten Zeigefingers auf den Abzugbügel und drückte leicht darauf, bis ich nach wenigen Millimetern etwas Widerstand spürte.
    Das war der Druckpunkt. Als ich den Druck etwas
    verstärkte, hörte ich sofort den Schlagbolzen nach vorn in die leere Kammer schnellen. Diese Einstellung war mir nur recht. Viele Scharfschützen mögen keinen
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    Druckpunkt, aber mir gefiel es, wenn der Abzug zuerst noch etwas locker war.
    Dann

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