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Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Titel: Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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belegt war. Das nackte Holz knarrte unnatürlich laut.
    Oben an der Treppe erwartete mich das alte
    Kinderzimmer der Mädchen. Vor sechs Jahren war es der größte Pocahontas -Tempel der Welt gewesen – mit TShirts und Postern, Bettwäsche und sogar einer Puppe, die irgendetwas von Farben sang, wenn man ihren Bauch drückte. Die Tür war geschlossen, aber diese Tür stellte kein Problem dar.
    Links daneben lag der Raum, der früher Kevins und Marshas Schlafzimmer gewesen war. Die Tür stand halb offen.
    Mein Herz begann wieder zu jagen, mein Mund war
    wie ausgetrocknet.
    Scheiße, wozu bist du hier raufgekommen? Du hast dir doch vorgenommen, das nie wieder zu tun!
    Aber ich war machtlos dagegen. Ich trat vorsichtig näher, als sei die Tür ein gefährliches Raubtier, und nahm wieder den kupfrigen Blutgeschmack auf der Zunge wahr
    – diesmal so stark, als sei er wirklich da.
    Scheiß drauf. Ich kehrte um, wollte zur Treppe zurückgehen, blieb dann aber stehen und machte mir weis, ich hätte einen Grund, noch zu bleiben.
    Reiß dich zusammen! Du bist hier, um Kelly zu finden.
    Der Videofilm lief weiter. Ich konnte ihn nicht
    anhalten. Ich sackte auf dem oberen Treppenabsatz zusammen und spähte durch die halb offene Tür,
    während vor meinem inneren Auge sämtliche
    beschissenen Details erschienen.
    Erst als ich mich um den Türrahmen geschoben hatte, hatte ich den ersten Blick auf Marsha werfen können.
    Sie hatte vor dem Bett auf dem Fußboden gekniet, die Arme auf der mit ihrem Blut getränkten Tagesdecke ausgebreitet.
    Ich war hineingegangen, hatte mich dazu gezwungen, Marsha zunächst zu ignorieren. Hier war niemand. Als Nächstes nahm ich mir das Bad nebenan vor, und was ich dort sah, zog mir endgültig den Boden unter den Füßen weg.
    Rums, war ich rückwärts gegen die Wand getorkelt
    und zu Boden gesackt. Blut, überall Blut. Ich hatte es aufs Hemd, an die Hände bekommen; ich hatte in einer Blutlache gehockt, die meinen Hosenboden durchnässt hatte.
    Schluss mit diesem Scheiß! Sieh zu, dass du die Treppe runterkommst …
    Zu spät. Viel zu spät. Zwischen Badewanne und WC
    hatte die fünfjährige Aida mit beinahe abgetrenntem Kopf auf den Fliesen gelegen. Nur eine Handbreit Fleisch war noch intakt; die Halswirbel waren fast durchtrennt.
    Erst dann hatte ich Marsha wirklich gesehen. Ihr Kleid war nicht hochgeschoben, aber ihre Strumpfhose war zerfetzt, ihr Slip heruntergerissen. Und jemand hatte ihr das Gleiche angetan wie Aida.
    Nicht einmal Homer konnte mich jetzt noch ablenken.
    Ich atmete keuchend und wischte mir genau wie damals über die Augen. Empfand denselben ungläubigen
    Schock, dasselbe niederschmetternde Gefühl, versagt zu haben.
    Was wäre gewesen, wenn du früher angekommen
    wärst? Hättest du diesen beschissenen Alptraum verhindern oder wenigstens stoppen können?
    Ich musste mich jetzt ausklinken, bevor ich
    durchdrehte. Ich hatte Jahre gebraucht, um zu lernen, wie man die Zootore geschlossen hielt, und mir keinen Gefallen damit getan, dass ich zugelassen hatte, dass sie sich öffneten.

    Ich bekam das Treppengeländer zu fassen, zog mich daran hoch und stieg langsam die Treppe hinunter, um mit Kelly zu reden.

    9
    An jenem Tag, an dem Kevin mir alle Waffenverstecke gezeigt hatte, hatte er mir für den Fall, dass Scheiße passierte, auch ihr »Versteck« gezeigt, wie er es nannte.
    Es bestand aus den Kartons, in denen die Elektrogeräte für die Küche geliefert worden waren und die jetzt unter der kleinen Treppe zum Speicher über der Garage, auf dem er Leitern und ähnliches Zeug aufbewahrte,
    gestapelt waren. Die Mädchen wussten, dass sie sofort dahinter verschwinden mussten, falls Kevin oder Marsha jemals das Wort »Disneyland!« riefen. Dann mussten sie mucksmäuschenstill sein und durften erst wieder
    herauskommen, wenn Mommy oder Daddy sie holten.
    Unten in der Küche atmete ich tief durch, riss mich zusammen und ging in die Garage hinaus.
    In den neunziger Jahren hätten dort neben Kevins
    Dienstwagen, einem mit Antennen gespickten Caprice Classic, spielend zwei weitere Autos Platz gehabt. »Eine Scheißkiste«, hatte er immer gejammert. »Aller Luxus der Neunziger, aber ein Motor aus den Sechzigern.«
    In den Halterungen an der Mauer aus
    Hohlblocksteinen hatten früher die Fahrräder der
    Mädchen gehangen. Sie waren mit all dem Krempel
    abtransportiert worden, der sich in Garagen oft
    ansammelt. Zurückgeblieben waren nur ungefähr ein Dutzend ungebrauchter Umzugskartons,

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