Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
haben die beiden Scheißkerle, die er hergeschickt hat, schon mal gearbeitet. Wieso muss wieder ein Kind in diesen Scheiß reingezogen werden? Verdammte Arschlöcher!«
George blieb ganz ruhig, während Sundance sein
Handy zuklappte und Laufschuhe angrinste. »Sie sind auf dem falschen Dampfer, mein Junge. Die Gefahr geht hier nicht von uns aus.« Danach entstand eine kurze Pause.
Ich hielt den Mund. »Rufen Sie mich nicht wieder an. Sie melden sich in London, wenn Sie nichts Gegenteiliges von mir hören, verstanden?«
Ich beendete das Gespräch und ging zu dem Volvo
hinüber. Der rotblonde Haarschopf, der mich beim ersten Kennenlernen an den jungen Robert Redford erinnert hatte, war verschwunden. Der Kopf, den Sundance aus dem Beifahrerfenster steckte, trug einen sehr kurzen Bürstenhaarschnitt.
»Alles in Ordnung, Freundchen?«, wiederholte er. Er hatte einen starken Glasgower Akzent, den man nur bekam, wenn man vierzig Jahre Kies kaute. »Du bist ziemlich sauer, was? Deine Kleine muss inzwischen fast erwachsen sein. Sie ist bestimmt gut gebaut.« Er hielt die Hände hoch, als wiege er zwei Brüste ab, und grinste dabei so lüstern, dass ich ihm am liebsten die Fresse poliert hätte.
Laufschuhe gefiel das, und er stimmte ins Lachen
seines Kumpels ein, während er Zigarettenpapier und ein Päckchen Tabak der Marke Drum aus seiner Brusttasche holte. Er war ungefähr gleich alt und trug die
dunkelbraune Version von Sundances Haarschnitt. Die beiden hatten offenbar weiter mit Hanteln trainiert, seit sie wegen der englischen Terroristengesetze in einem Hochsicherheitstrakt inhaftiert gewesen waren, aber sie sahen noch immer nicht durchtrainiert, sondern nur aufgeblasen aus. Mit ihren Boxernasen und breiten Brustkörben hätten sie in schlecht sitzenden Smokings und Doc-Martens-Schuhen die Türsteher irgendeines zweitklassigen Nachtclubs sein können.
Ich konnte beobachten, wie sich die Muskeln von
Laufschuhes Unterarmen bewegten, als er sich eine Zigarette drehte. Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, hatte er sich die dort eintätowierte Rote Hand von Ulster gerade mit einem Laser entfernen lassen; jetzt war sie spurlos verschwunden.
Ich wusste, dass ich im Augenblick nicht mehr tun konnte, als tief durchzuatmen. Laufschuhe gab die erste Selbstgedrehte an Sundance weiter, und seine
unverkennbare Belfaster Stimme dröhnte aus dem
Beifahrerfenster: »Der Boss will, dass wir dafür sorgen, dass du pünktlich zu der Besprechung kommst. Wir
wollen doch nicht, dass du uns versetzt, nicht wahr, großer Mann?«
Ich beugte mich zu ihm hinunter, um ihn besser sehen zu können, während er die zweite Zigarette in Angriff nahm, und hatte dabei Gelegenheit, sein Markenzeichen zu bewundern: Nike-Laufschuhe, die anscheinend mit leichten Gebrauchsspuren verkauft wurden. Sundance bemühte sich inzwischen vergeblich, mit seinen riesigen Pranken ein Wegwerffeuerzeug zum Brennen zu bringen.
»Was ist, wenn ich beschließe, nicht zu kommen?«
»Ah, das wäre nett.« Beide mussten unwillkürlich
grinsen, während Sundance das Feuerzeug schüttelte, um es vielleicht so zum Funktionieren zu bringen. »Dann könnten wir gemeinsam in die Garage zurückfahren, stimmt’s? Dann könnte es wieder interessant werden.«
Die Garage stand im Süden Londons. Dort hatten die beiden Kerle mich in die Mangel genommen, während wir darauf gewartet hatten, dass der Jasager kam und mir erklärte, was Sache war: dass ich für ihn in Panama arbeiten würde, wenn mir mein Leben lieb war.
Ich richtete mich auf und wandte mich ab, um
wegzugehen. »Okay, ich bin pünktlich da.«
»Ah, das ist aber schade!«
Als ich ins Haus zurückging, stellte ich fest, dass Sundance nichts dem Zufall überließ. Er parkte den Volvo am Randstein, und die beiden machten sich daran, den Wagen mit Rauch zu füllen.
14
Carmen war im Wohnzimmer und sah wie gebannt zu,
als Lorraine Kelly ihre GMTV-Zuschauer durchs
Minenfeld organischer Feuchtigkeitscremes lotste.
»Ich bin gerade aus der Arbeit angerufen worden.«
Sie machte sich nicht die Mühe, zu mir aufzusehen.
»Ich muss zu einer Besprechung um dreizehn Uhr …
muss gleich losfahren, damit ich rechtzeitig hinkomme.
Es scheint irgendeinen Notfall zu geben.«
Was hätte ich sonst tun sollen? Die Haustür absperren und darauf hoffen, dass Sundance und Laufschuhe sich langweilen und irgendwann verschwinden würden? Nein, ich würde zusehen, ob der Jasager nicht jemand anderen finden konnte. Scheiße,
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