Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
spuckte den Nikotinkaugummi aus, bevor sie sich an mich kuschelte. Sekunden später tauchte er wieder auf: den Kragen seines Regenmantels hochgeklappt, die Hände tief in den Taschen vergraben. Er zögerte, als er uns sah, dann überquerte er rasch die Straße. Als die farbig blinkenden Lichter sein Gesicht erhellten, konnte ich sehen, dass er so sauer war wie ich. Aber das spielte keine Rolle. Suzy fauchte ihn an, als er noch zwei, drei Schritte zu machen hatte, um unters Vordach der Spielhalle zu kommen. »Verdammt, wo bleiben Sie so lange? Wir wollten die Umgebung mit Ihnen besichtigen .«
»Reden Sie keinen Unsinn, das kann ich unmöglich machen. Die ganze Welt beobachtet uns.« Er sah sich hektisch um, als erwarte er, an jedem Fenster ein Gesicht zu sehen. »Auf den Straßen war so viel los, dass ich eine Zeit lang verschwinden musste. Ich komme gerade zurück, um mich mit Ihnen zu treffen.«
Suzy bedachte ihn mit einem Freut-mich-Sie-zu-sehen-
Lächeln. »Ist Ihnen irgendwas aufgefallen?«
»Nein, nichts. Was erwartet ihr Leute eigentlich von mir? Ich habe King’s Lynn für euch entdeckt, was wollt ihr mehr?«
Das nahm ich ihm nicht ab. »Das ASU hat sich praktisch vor Ihrer beschissenen Haustür verkrochen, und Sie wissen nichts davon?«
Er kniff seine blutunterlaufenen Augen zusammen. »Es gibt vieles, was ich nicht weiß. Mir ist es gleichgültig, was Sie denken, ich habe nicht viel für Sie und Ihr Land übrig, aber Sie sollten sich über eines im Klaren sein. Falls es hier JI-Angehörige gibt, fürchten sie nichts, sondern sehen dem Märtyrertod glücklich entgegen. Sie werden mit dem Inhalt dieser Flaschen angreifen. Ich kenne diese Leute - ich kämpfe seit fünfzehn Jahren.«
Suzy beugte sich leicht zu ihm hinüber. »Sie mögen uns nicht sehr, nicht wahr, was tun Sie also hier?«
Er schob die Unterlippe vor, atmete mehrmals tief durch und sah zu Boden. »Weil ihr Leute mir sagt, dass mir keine andere Wahl bleibt.«
Wir schwiegen beide. Ich dachte daran, wie der Jasager in der Wohnung am Telefon gesagt hatte, dem Kerl bleibe nichts anderes übrig. Sie hatten ihn irgendwie in der Hand. Dieses Gefühl kannte ich.
Er seufzte, hob den Kopf und lächelte schwach. »Und ich werde kämpfend sterben.« Damit ließ er uns stehen und ging davon.
Suzy und ich beobachteten, wie er die Birkenhead Street entlang verschwand, dann folgten wir ihm. Wir erreichten die durch ein Tor abgesperrte Baulücke hinter seinem Haus, als im obersten Stock ein Lichtschein hinter den geschlossenen Vorhängen aufblitzte.
Das pickelige Mädchen und die beiden jungen Kerle kamen aus einem dunklen Bereich der St. Chad’s Street herangestolpert, ohne sich um den Regen - oder uns - zu kümmern, während sie sich um den Inhalt eines kleinen Plastikbeutels stritten. Als sie an uns vorbeikamen, kicherte das Mädchen, als erkenne es uns wieder, und fuhr sich mit der Zungenspitze über seine aufgesprungenen Lippen.
Für den Fall, dass die Überwachungskamera in unsere Richtung schwenkte, wechselten wir auf die dunklere Straßenseite über. Die Stelle, wo die drei herausgekommen waren, schien die Einfahrt einer Jaguarwerkstatt zu sein, und als wir dort vorbeigingen, rief mich eine halblaute, aber energische Stimme an: »Hey, Kumpel, brauchst du irgendwas?«
Als ich ins Dunkel schaute, klickte ein Feuerzeug, und er zündete sich eine Zigarette an. Er war ein Weißer, großspurig aussehend, ungefähr im selben Alter wie die beiden Betrunkenen, die gerade bei ihm gewesen waren. Er trug zerrissene Jeans und eine regennasse schwarze Lederjacke. Als er uns zuletzt gesehen hatte, war er so zugedröhnt gewesen, dass er uns nicht wiedererkannte.
»Was sollte ich brauchen?« Ich wusste, dass ich die Frage gestellt hatte, aber die Stimme klang nicht wie meine.
Der Dealer merkte nichts. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und gestikulierte mit der Hand. »Was du willst - Whites, Browns, du hast die Wahl.« Er sprach lispelnd. »Aber komm her - weg von der Straße, bloß hier rein. Hier passiert dir nichts.«
Ich ließ Suzy stehen und wandte mich ihm zu. Sie schien zu ahnen, was ich vorhatte, noch bevor ich’s selbst wusste. »Nein, nicht jetzt, nicht jetzt .«
40
Suzy blieb auf dem Gehsteig zurück, als ich in die dunkle Einfahrt trat. Der Dealer stieß sich von der Wand ab, trat von einem Fuß auf den anderen. »Okay, was soll’s sein, Kumpel? Bei mir gibt’s alles. Ich hab Whites, Browns, was du willst.«
Ich stand ungefähr
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