Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
Maglite glitt über den auf dem Küchentisch ausgebreiteten Tascheninhalt der jungen Frau. Ich trat näher heran. »Warum zum Teufel hast du sie erschossen? Was ist, wenn sie nicht mal .«
Die Tragetüte raschelte, als Suzy sie hochhielt, und ich sah mehrere harte Zylinder, die das dünne Kunststoffmaterial ausbeulten. »Hättest du ihr diese Chance geben wollen?«
Ich nahm ihr die Tragetüte ab, stellte sie auf den Tisch und holte drei große Sprühdosen heraus, die hoffentlich weiterhin nur roten Autolack enthielten. Die Dosen stellte ich neben ihre übrigen Habseligkeiten auf dem Küchentisch: achtzig Pfund in Scheinen und etwas Kleingeld, eine Rückfahrkarte nach King’s Cross und eine Quittung für ein Käsebaguette. Dazu kamen noch ein Handy und ein einzelner Sicherheitsschlüssel für die Haustür.
Ich griff nach dem Mobiltelefon und schaltete es mit einem in Gummi gehüllten Finger ein, als nebenan bei Billy und Maureen wieder das Licht anging. Maureen hatte das Ausgehen keinen Spaß gemacht. »Scheiße, du musst einem alles verderben, was?« Der Fernseher wurde angestellt, als ihre schrille Stimme nach oben verschwand. »Der Karaokeabend ist der einzige schöne in der Woche, und du Scheißkerl hast ihn mir verdorben!« Und wer Cheryl auch sein mochte - sie war ohnehin nur eine große fette Schlampe, und er konnte sie gern haben.
Das Display des Motorola leuchtete auf, dann verlangte es die PIN. Ich versuchte es mit 1234. Nichts. 4321.Wieder nichts. Jetzt hatte ich nur noch einen Versuch. Ich tippte eine willkürliche Zahlenfolge ein, aber das Ding schaltete sich ab. Scheiße.
Ich zog Suzys Kopf so nahe an meine Schutzmaske heran, dass ich flüstern konnte: »Wir müssen abhauen. Hol die Bereitschaftstaschen rein. Wir müssen nur aufpassen, dass wir von nebenan nicht gesehen werden.«
Sie drehte den Kopf zur Seite, um mir ins Ohr sprechen zu können. »Was ist, wenn dieses Haus verseucht ist? Dann müssten wir wenigstens draußen eine Stunde warten.«
Ich schaufelte die Habseligkeiten der jungen Frau in die Tragetüte. »Eine weitere Stunde ändert auch nichts mehr .«
Der Ehekrach nebenan eskalierte, während wir uns abwechselnd ins Ohr sprachen.
»Nein, wir müssen weg - wir können nicht warten, und ich habe keine Zeit für lange Erklärungen. Zieh deinen Anzug im Freien aus, wenn dir dann wohler ist. Außerdem nehmen wir die Kapseln, stimmt’s?«
Ich nahm die Tragetüte mit und verließ das Haus durch die Hintertür. Bei Billy und Maureen wurden Türen geknallt, dann wurde der Fernseher noch lauter gestellt.
Ich löste die Kordel und schob meine Kopfhaube zurück, bevor ich mir die ABC-Schutzmaske abriss. Ein Schwall kühler Luft traf mein nasses Gesicht. Ich streifte den Rest der Schutzkleidung so schnell und leise wie möglich ab und verstaute alles in meiner Bereitschaftstasche. Suzy folgte mir und schloss die Tür hinter sich. Sie streifte ihre Haube zurück und riss sich ebenfalls die Schutzmaske ab. »Scheiß drauf.«
Als wir unser Zeug eingepackt hatten, kontrollierten wir den kleinen Garten, um uns zu vergewissern, dass wir nichts liegen gelassen hatten. Wir verließen ihn durch die Tür in der Mauer, gingen zur Fußgängerbrücke und folgten der Walker Street nach links.
Vor dem Burger-Restaurant in der Loke Road hatte sich eine Schlange gebildet. Der Pub rockte, während eine miserable Karaokesängerin »Like A Virgin« mordete.
Suzy hatte mit mir Schritt gehalten, weiter auf eine Erklärung gewartet. Als uns bestimmt niemand hören konnte, bekam sie, was sie wollte. »Unter Umständen sitzen wir längst in der Scheiße. Was ist, wenn diese Sprühdosen Dark Winter enthalten? Was ist, wenn die anderen Scheißkerle heute schon mit ihren Sprühdosen unterwegs waren? Oder wenn sie sich aufgeteilt haben und nur auf ein Signal warten, um auf den Knopf zu drücken? Wir müssen das Handy zum Jasager bringen - er findet die Nummern, er findet die Orte, und wir spüren diese Scheißkerle auf.«
Wir rannten jetzt beinahe, erreichten den toten Briefkasten, holten die Autoschlüssel heraus und hasteten
zu unserem Peugeot.
Ich rief den Jasager über das abhörsichere Handy an.
»Haben Sie’s?«
»Vielleicht, aber dann nur einen Teil. Passen Sie auf.« Ich berichtete ihm von den Beamten der Einwanderungsbehörde und dass das ASU dort einquartiert gewesen sein könnte. »Wer sagt, dass der Angriff nicht schon stattgefunden hat, wenn die Sprühdosen Dark Winter enthalten? Es ist
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