Nicodemus
aus der Seite nicht so recht schlau. Offenbar handelte es sich um das Schlusskapitel einer alten Abhandlung, aber es war ihm schleierhaft, warum sie vor ihm aufgetaucht war.
Auszug aus: Für eine einheitliche Rechtschreibung von Gaius Rufeus
Heutzutage wird oft behauptet, eine größere Offenhait gegenüber alternativen Schreibweisen fördre die Kreativität. Ich muss einräunem, dass es eine ganze Reihe von Texten gibt, bei denen alternative Schreibweisen nicht nur möglich sind, sondern die herkömmliche Schreibung sogar noch übertreffen. Doch die Zahl dieser begünstigenden Fehler ist schwindend gering im Vergleich zu dem Gros alternativen Schreibweisen (oder sollten wir sie nicht lieber Schreibfehler nennen), die unwirksam und in gewössen Fällen sogar gefährlich sind. Wenn sich die Zauberer auch weiterhin als nützliche Mitglieder des Neosolaren Reiches behaupten wollen, ist es von daher unerlässlich, dass eine Standardisierung …
Nicodemus runzelte die Stirn. Er hatte an Tarntexte und nicht an Rechtschreibung gedacht. Eigentlich sollte der Index doch Informationen zu dem von ihm gewünschten Thema liefern. Schon wollte er die Seite umblättern, da hielt er noch einmal inne.
Womöglich funktionierte der Index einwandfrei: Schließlich hatte er nicht an Unsichtbarkeitszauber an sich gedacht, sondern nur an die Möglichkeit, einen solchen Text umzuschreiben.
Er las die Seite noch einmal. Was, wenn der Zauber auch mit ein paar Fehlern gut funktionierte? Das war ihm seit langem bekannt. Aber er konnte einen Tarntext doch nicht mit Absicht verschreiben, immerhin könnte ihm solch ein Text den Kopf abreißen.
Ärgerlich blätterte er weiter und wollte das Buch schon schließen, als er auf eine Abhandlung über den Einfluss von Selbstzweifeln auf das Zauberschreiben stieß. »Das soll ich wohl lesen«, knurrte er.
Das Buch gab keine Antwort.
Nicodemus legte eine Hand auf die Seite und sandte seinen Geist in den Zaubersternenhimmel des Buches aus.
Aus dem Dunkel kamen drei kometengleiche Subtexte auf ihn zu, jedem war eine Erklärung beigegeben.
Der erste Zauber glänzte grünlich; er hieß Madide, war lang und in einer einfachen Sprache verfasst. Laut Beschreibung verschleierte er den, der ihn heraufbeschwor, und machte es somit schwer gesehen, besonders aber angegriffen zu werden. Allerdings war auch eine Warnung hinzugefügt:
»Madides umgekehrte Wortstellung verhindert, dass andere Zauberschreiber den Subtext erkennen. Bei Zauberschreibern, die diese einfache Sprache fließend beherrschen, ist jedoch Vorsicht geboten, denn sie sind in der Lage die Runensequenz zu erkennen und den Tarntext zu durchschauen.«
Das würde nicht ausreichen, ganz bestimmt beherrschten die Wachen diese einfachen Sprachen.
Der zweite Zauber leuchtete numinusgolden. Nicodemus erkannte in dem Latere-Tarntext einen der Lieblingszauber von Magister Shannon, der einen für einen Zaubermeister seltenen Hang zu Streichenan den Tag legte. Der Zauber bildete einen kreisrunden Schein, der seinen Träger in einen stetigen Strom lichtbrechender Runen hüllte. Solange der Zauberschreiber reglos verharrte, blieb er unsichtbar. Bei langsamen Bewegungen schillerte die Luft, bei schnellen wurde hin und wieder ein Arm oder ein Bein des Zauberschreibers entblößt. Noch entscheidender war hingegen, dass nicht einmal ein Zaubermeister diesen Tarntext durchschauen konnte.
»Ein wahrlich wundervoller Tarntext«, hatte Magister Shannon einmal humorvoll angemerkt. »Denn wer die Stiefel eines Freundes mit Schnee füllt, möchte nicht dabei sein, wenn er sie anzieht.«
Angst und Schuldgefühle befielen Nicodemus bei dem Gedanken an seinen Mentor.
Mit grimmiger Entschlossenheit konzentrierte er sich wieder darauf, den Smaragd zurückzuerlangen, und widmete sich dem Latere-Tarntext. Damit könnte es klappen; natürlich dürfte er sich nur sehr langsam bewegen und müsste aufpassen, dass er dabei nicht gerade den Wachen im Weg stand. Jedoch war der Zauber sehr kompliziert.
Der dritte Zauber schließlich flammte im violetten Licht der Sprache des Index. Er war in knappem Stil verfasst und enthielt eine kurze und bündige Erklärung:
»Sceadugangas Worte umhüllen den Leib und ermöglichen es unseren Verfassern, unbemerkt bei Dämmerung, nicht jedoch bei Tageslicht, zu wandeln. Sceaduganga dumpft den Klang der Schritte.«
Genau was er brauchte. Blitzend fuhr der Sceaduganga-Zauber in ihn hinein.
Nun zog
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