Nicodemus
Arm begann zu schmelzen.
Mit metallischem Geheul fuhr Fellwroth herum und rammte Kyran den langen Magnusstachel in den Magen.
Nicodemus schrie auf und versuchte auf die Beine zu kommen.
Blut breitete sich über Kyrans Bauch aus, doch der Druide packteFellwroth nur noch fester am Arm. Je weiter sich die brennenden Zweige über die Schulter des Wesens ausbreiteten, desto lauter prasselte das blaue Feuer.
Fellwroths Heulen war nunmehr nur noch ein Keuchen, er versuchte sich aus Kyrans Griff zu winden und fiel rücklings aufs Kopfsteinpflaster.
Irgendwie gelang es Kyran, Nicodemus hochzuhieven. »Für Deidre«, sagte er und schrieb ihm einen Satz in einfacher Sprache in die Schulter.
Der Golem wand sich nun vor Schmerzen und unternahm verzweifelte Versuche, das brennende Dornengespinst loszuwerden. Sein rechter Arm war zu einem nutzlosen dürren Strunk zusammengeschmolzen.
»Sei nur nicht so wie ich, Junge.« Kyran zog Nicodemus beiseite. »Sei wie du willst: wild, fromm, ruchlos. Liebe sie alle oder liebe keine, nur sei nicht so wie ich.«
Unversehens stand der Kampfspeier vor Nicodemus. »Ganz gleich was geschieht, bringe ihn in Sicherheit«, befahl Kyran.
Noch ehe Nicodemus widersprechen konnte, hatte der habichtköpfige Wasserspeier ihn gepackt und hochgehoben, als würde er nicht mehr wiegen als ein Kätzchen; den Index hielt Nicodemus fest an die Brust gedrückt.
Unmenschliches Geheul lenkte Nicodemus’ Aufmerksamkeit wieder auf den Golem aus Eisen. Dem Ungeheuer war es gelungen, die blauen Flammen zu löschen, und nun hatte es sich aufgerappelt und griff an. In den wachsbleichen Händen glitzerte eine lange Magnuspeitsche. Kyran trat ihm entgegen, blaues Feuer in den Fäusten.
»Kyran, nein!«, brüllte Nicodemus.
Mit einer tückischen Bewegung ließ Fellwroth die Peitsche hervorschnellen, die Kyrans Oberkörper von der Schulter bis zur Hüfte aufschlitzte.
Entsetzt schrie Nicodemus.
Der Golem stürmte jetzt mit erhobener Peitsche auf den Wasserspeier zu.
Plötzlich fiel Nicodemus mit atemberaubender Geschwindigkeitdurch die Luft. Sein Magen krampfte sich zusammen. Der habichtgesichtige Wasserspeier war von der Mauer gesprungen.
Bislang hatte Nicodemus immer nur einen flüchtigen Blick auf die spiegelglatte Oberfläche des Impluviuums werfen können, nun platschten sie mitten hinein. Um den Aufprall für Nicodemus abzumildern, riss das Geschöpf die Arme hoch, kaum dass seine Füße aufs Wasser trafen. Trotzdem kam es Nicodemus vor, als würde ihm von der Wucht der Wellen der Verstand aus dem Kopf gespült.
Sein erster Gedanke galt absurderweise dem Index. Er unmklammerte ihn noch fester, auch wenn er fürchtete, das Wasser könnte die Seiten zerstören.
Vom Gewicht des Wasserspeiers wurde er rasch in die Tiefe gezogen. Doch nachdem er den Hals ein paar Mal in alle Richtungen gereckt hatte, sah er eine weiße Säule aus Luftblasen, die der Golem durch seinen Sprung ins Wasser verursacht hatte.
Überraschend tauchte ein steinernes Gesicht mit Fischschuppen vor Nicodemus auf. Die rauhen Hände des Unterwasserspeiers packten ihn an den Kleidern und zogen. Dann legte sich ein weiteres Dutzend winziger Hände auf ihn und zerrte ihn fort.
Nicodemus unterdrückte einen Schrei. Über ihm sank der Golem mit rasender Geschwindigkeit, der Umhang blähte sich im Wasser.
Ein durchdringendes Heulen erklang, und viele kleine Wasserspeierhände stießen Nicodemus abrupt in ein finsteres Loch. Er versuchte sich freizuschwimmen, aber es waren zu viele. Sie pfropften ihn in einen engen, dunklen Raum. Über ihm schlossen sich Schotten, und er vernahm erneut ein schrilles Geheul.
In dieser vollkommenen Dunkelheit machte sich Nicodemus bereit zum Sterben.
Doch das Heulen wurde lauter und Nicodemus fiel; kopfüber stürzte er ein langes Rohr hinunter. Er schrie erschreckt auf und kaltes Wasser strömte ihm in den Mund. Als das Rohr eine Biegung machte, glitschte Nicodemus über den algenbewachsenen Boden.
Dann purzelte er in ein Gemisch aus Wasser und Luft. Er vernahm das Tosen eines Wasserfalls und tauchte in eine Art hüfttiefen, unterirdischen Fluss ein. Gierig schnappte er nach Luft. Er ließ sich vonder kräftigen Strömung tragen. Das Tosen des Wasserfalls verklang allmählich, und er hörte Geräusche über sich – kleine raschelnde Wesen, die sich mit hohen Stimmen unterhielten.
Und dann war er ganz unvermittelt im Freien: Über ihm spannte sich der kristallklare Nachthimmel, um ihn stand ein Meer aus
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