Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
Vom Netzwerk:
werden.«
    »Verstehe.«
    »Shannon, kann uns hier auch wirklich keiner hören?«
    Shannon schüttelte den Kopf. »Nein. Bringst du Neuigkeiten von draußen?«
    »Neuigkeiten von drinnen.«
    Shannon beugte sich vor. »Sprich weiter.«
    Amadi rutschte auf dem Stuhl hin und her, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern: »Mord in Starhaven.«
    Ihm stockte das Herz. »Wer?«
    »Das ist eine heikle Angelegenheit, die geheim bleiben muss, bis das Konzil vorbei ist. Die Gesandten müssen unbedingt die Verträge erneuern.«
    »Das ist mir schon klar. Sagst du mir jetzt, wer getötet wurde?«
    »Geduld, Magister. Vor fünf Stunden hat ein Wasserspeier, der Arbeiten unterhalb der Spindle-Brücke verrichtet hatte, eine Frau gefunden; er dachte, sie sei am Sterben.«
    »Wie bitte?«
    »Sie war schon tot, doch ihr Körper produzierte weiter bösartige, fehlerhafte Numinussätze. Der Wasserspeier mit seiner zweifachen Kognition nahm an, die Frau sei noch am Leben und schleppte sie zur stellvertretenden Bibliotheksvorsteherin. Die hat es ihrerseits dem Provost gemeldet und der hat mich dann informiert.«
    Shannon überlegte. »Du sagtest, diese Frau sei von der Spindle-Brücke gefallen?«
    »So scheint es jedenfalls. Was kannst du mir über diese Brücke sagen?«
    Shannon fragte sich, wie viel er von seinem Wissen preisgeben sollte. Amadi war plötzlich in den obersten Rang der Wächter aufgestiegen, solch ein Sprung wäre ohne die Unterstützung gewisser Kreise – Kreise, die Shannon verachteten – undenkbar. Er beschloss, ihr nur das ohnehin Bekannte mitzuteilen.
    »Du wirkst beunruhigt«, sagte Amadi. »Hat es etwas zu bedeuten, dass diese Frau auf der Spindle-Brücke war?«
    »Mehr als das«, sagte er schließlich. »Den Historikern zufolge haben die Chthonen die Brücke gebaut, kurz nachdem sie Starhaven errichteten. Aber sie führt nirgendwo hin. Erstreckt sich über eine Meile durch die Luft und endet dann im Fels. Die Chthonen haben prächtige Reliefs in den Stein gehauen. Nördlich des Brückenausläufers findet man Blattwerk – Efeublätter, glaube ich – und im Süden Verzierungen in Form sechseckiger Muster.«
    »Gibt es eine Erklärung für diese Reliefs? Oder für die Brücke?«
    Shannon zuckte die Achseln. »Nur Legenden, in denen es heißt, die Chthonen hätten einen Weg in ein Paradies, das Himmelbaumtal, gebaut. Als nämlich die Herrscher des Neosolaren Reichs anfingen, die Chthonen niederzumetzeln, hat ihre Göttin sie angeblich ins Himmelbaumtal geführt und einen Berg auf den Weg fallen lassen. Einige Leute behaupten, dass die Spindle Brücke einst zu diesem Weg geführt hat.«
    »Gibt es irgendwelche Beweise für diese Geschichte?«
    »Keinen einzigen. Von Zeit zu Zeit dringen die Historiker mit Texten in den Berg ein, in der Hoffnung den Weg ins Himmelstal freizulegen. Doch bislang sind sie nur auf Fels gestoßen.« Shannon hielt inne. »Meinst du, der Mord steht damit in irgendeinem Zusammenhang?«
    Das leise Rascheln von Stoff sagte ihm, dass Amadi wieder auf ihrem Stuhl hin- und herrutschte. »Nicht, dass ich wüsste«, entgegnete sie und seufzte tief.
    Shannon zögerte, bevor er erneut das Wort ergriff. »Amadi, ich bin erschüttert und zutiefst betrübt über diesen Unglücksfall. Trotzdem – und ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für herzlos – will ich damit nichts zu tun haben. Ich habe an meine Forschungen und meine Schüler zu denken. Wenn ich dir helfe, hat das womöglich irgendwelche politischen Verwicklungen zur Folge. Und wie ich dir bereits sagte, bin ich nicht mehr derselbe wie damals im Norden. Aber wenn du meinen Namen aus der Sache heraushältst, stehe ich dir gerne mit meinem Rat zur Seite. Dennoch muss ich wissen, wer das Opfer ist.«
    Sie schwieg eine ganze Weile, dann sagte sie: »Nora Finn, die Grammatikerin.«
    »Gütiger Himmel!«, raunte Shannon entsetzt. Nora war die Dekanin des Speicherturms und beruflich seine größte Rivalin.
    Schlagartig gingen ihm alle möglichen Gedanken über die Hintergründe des Mordes durch den Kopf. Vielleicht steckten seine alten Feinde hinter dem Anschlag und er galt indirekt ihm. Vielleicht stand der Mord auch im Zusammenhang mit den umtriebigen Schutzzaubernund dem Fremden, den Nicodemus über das Dach des Magazins hatte schleichen hören. Dann wäre der Speicherturm Mittelpunkt des Komplotts.
    Nervös befingerte Shannon die Asterisken auf dem Buchrücken. Womöglich hofften seine Feinde, sich an ihm rächen zu können, indem sie sich

Weitere Kostenlose Bücher