Nicodemus
ganz ruhig, aber ihre Augen tanzten über Nicodemus, wie Flammen, die an einem trockenen Holzscheit lecken. Sie ging auf ihn zu. »Bist du ein Zauberer?«
Rechts neben ihr schillerte die Luft. Eine leichte Röte flog über Nicodemus’ Gesicht. »Ich hoffe, bald einer zu werden«, sagte er.
»Ein Lehrling also. Wer ist dein Mentor?«
»Magister Shannon, der berühmte Linguist.«
Anscheinend ließ sich die Druidin den Namen durch den Kopfgehen. »Ich bin erst vor kurzem auf Shannon aufmerksam geworden.«
Nicodemus nickte und versuchte es dann mit einem Lächeln. Wenn er bei dieser Frau einen guten Eindruck hinterlassen konnte, dann half das womöglich auch Shannons Ansehen auf dem Konzil. Eine Kleinigkeit zwar, aber vielleicht würde sein Lehrmeister die Sache mit der verschriebenen Wasserspeierin dann schneller vergessen.
»Darf ich Euch behilflich sein?«, erkundigte er sich bei der Druidin und verneigte sich dann vor dem Schatten zu ihrer Rechten. »Und Eurem Begleiter?«
Um Deidres volle Lippen spielte die allerzarteste Andeutung eines Lächelns. Sie musterte Nicodemus eingehend und nickte dann. »Verzeih den Tarntext«, sagte sie. »Kyran ist mein Protektor.«
Der Schatten zu ihren Füßen stieg langsam empor und nahm menschliche Gestalt an, während der Tarntext, der im Mondlicht geschillert hatte, abfiel.
Nicodemus nickte dem Neuankömmling zu. Mit seiner Größe von über sechs Fuß war der Mann eine imposante Erscheinung. Die Holzknöpfe an seinen weißen Ärmeln hatte er aufgeknöpft, um mit seinen muskulösen Armen leichter Zauberrunen schreiben zu können. Er hatte einen hellen Teint, schmale Lippen und langes Blondhaar. Das schöne Gesicht war ohne jede Falte, was bei einem Zauberschreiber jedoch nicht zwangsläufig ein Zeichen von Jugend sein musste.
In der rechten Hand hielt Kyran einen dicken Eichenstab. Nicodemus beäugte den Gegenstand neugierig, angeblich entfalteten die höheren Druidensprachen besondere Kraft, wenn sie in Holz geschrieben wurden.
Deidre schaute sich auf dem Platz um. »Wir möchten eine Andacht zu Ehren unserer Göttin halten. Ein Zauberer sagte uns, an diesem Ort stünden Obelisken, doch diese Steine hier sind weder kreis- noch gitterförmig angeordnet.«
Unterdessen kroch der krokodilähnliche Wasserpeier davon, wohl auf der Suche nach einem ruhigeren Schlafplätzchen.
»Und ihr Zauberer habt die Obelisken zudem mit diesen seltsamen Steinechsen behängt.«
Nicodemus verbeugte sich höflich. »Bitte entschuldigt das Durcheinander. Die Obelisken waren ein Geschenk eines Lords aus dem Hochland. Wir wissen nicht, wie sie anzuordnen sind. Und was die Wasserspeier betrifft, nun sie sind keine Echsen, sondern höhere Zauber, die wir Wortschöpfungen oder kurz Geschöpfe nennen. Es ist nämlich so: Magnus, eine der höheren Zaubersprachen, kann seine Sprachmacht in Stein verwandeln.«
Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht der Druidin, als hätte er gerade etwas Lustiges von sich gegeben.
Verunsichert fuhr Nicodemus mit seinen Erklärungen fort: »Das hier sind hausmeisterliche Wasserspeier. Wir haben ihnen eine Vorliebe für Steine eingeschrieben. Und so klettern sie kreuz und quer über die bewohnten Türme, warten die Dächer, halten nach bröckelndem Mörtel Ausschau und verjagen die Vögel.«
Deidre lächelte ihn weiter schweigend an.
»Aber wenn Ihr zu Eurer Göttin beten wollt«, fügte Nicodemus verlegen hinzu, »fühlt Ihr Euch vielleicht in einem unserer Gärten wohler. Magister Shannon hat gerade sein Quartier in Bolide Garden bezogen, doch der Garten ist noch nicht ganz fertig.«
Der Druide ergriff jetzt das Wort. »Warum ist dieser Ort so verlassen? Wo sind die anderen Zauberer?«
Nicodemus lächelte. Nun, diese Frage konnte er zuverlässig beantworten. »Wir sind alle zugegen. Starhaven wirkt nur leer, weil es so weitläufig ist. Einst haben hier sechzigtausend Chthonen gelebt. Nun wohnen hier nur noch viertausend Zauberer und eineinhalb so viele Schüler. Wir erkunden immer noch das unbewohnte Chthonische Viertel. Es gibt so Vieles zu entdecken. Das Neosolare Reich, das Spirische Königreich und das Lornische Königreich, alle hatten sie einst Starhaven besetzt. Und jedes Königreich hat hier seine unverwechselbaren Spuren …«
Deidre fiel ihm ins Wort. »Wie heißt du?«
Nicodemus verstummte. Hatte er zu viel geredet? »Nicodemus Weal«, sagte er mit einer Verbeugung.
»Verrat mir etwas über deine Abstammung.«
»Ihr wollt wissen,
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