Nicolai
klang sehr ernst. Dann öffnete sie die Tür und ließ mich
hineingehen. Leise betrat ich das Zimmer, das leicht verdunkelt war. Ich ging
auf das Bett von Schwester Sophia zu und sah in ein Gesicht, dass ich 20 Jahre
nicht gesehen hatte. Ich erschrak. Sie war eine alte Frau geworden. Friedlich lag
sie in ihrem Bett und schlief. Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante und
streichelte sanft ihre Hand. Sie öffnete ihre Augen. Ein kleines Lächeln
huschte über ihr Gesicht. „Alexandra, mein Kind. Du bist da. Und wie schön du
bist.“, sprach sie ganz heiser. „Ich habe auf dich gewartet.“ Sie machte eine
kurze Pause. Ich bemerkte, dass ihr das Sprechen schwer fiel. „Es wird Zeit,
dass du die Wahrheit erfährst.“, sagte sie und blickte in mein Gesicht.
„Schwester Sophia! Was für eine Wahrheit?“, fragte ich sie leise und verwundert.
„Nur ich und Carl wissen wer du wirklich bist. Doch wir durften es dir nie sagen.
Es tut mir so leid.“ Sie sah mich an und eine Träne rollte über ihr Gesicht.
Ich nahm ein Taschentusch vom Nachtschränkchen und tupfte ihr die Träne weg. „Alexandra,
mach mir bitte meine Kette ab.“, forderte sie mich auf. Ich sah sie etwas
verwundert an und tat ihr den Gefallen. Vorsichtig öffnete ich den Verschluss
der Kette und streifte sie ihr ab. Die Kette war bildhübsch. Sie war aus
antikem Silber mit einem kleinen Schlüssel als Anhänger. „Geh in die Kapelle.
Unter dem Altar ist eine Schatulle. Öffne sie und du erfährst woher du kommst
und wer du wirklich bist.“ Sie machte eine kurze Pause. „Gott segne dich.“ Ihr
Kopf fiel zur Seite und der letzte Atem hauchte aus. Ich weinte und legte mein
Kopf auf ihre Brust.
Die
Tür öffnete sich, ein Arzt und Schwester Margarete kamen herein. Behutsam zog
mich der Arzt von Schwester Sophia weg. Hilflos und weinend stand ich da. Kein
Wort kam über meine Lippen. Wie versteinert stand ich da und hielt die Kette in
meiner Hand. Ich hörte, wie der Arzt den Tod von Schwester Sophia feststellte.
Mein Blick ging nochmal zaghaft zum Bett hinüber. Dann drehte ich mich um und
ging nach draußen.
Schwester
Margarete kam mir eilig hinterher. „Komm mein Kind, wir gehen Beten.“, sagte
sie und legte ihren Arm um meine Schulter. Gemeinsam gingen wir in die kleine
Kapelle des Waisenhauses. Ich war unendlich traurig und fühlte mich leer und
orientierungslos. Schuldgefühle stiegen in mir auf. Wie habe ich es nur zulassen
können, dass ich Schwester Sophia nie wieder besucht hatte nach meinem Auszug
aus dem Waisenheim? Ich machte mir schwere Vorwürfe. War mein berufliches
Weiterkommen mir wichtiger als alles andere? Schwester Sophia war für mich
immer da gewesen. Und wo war ich? Wir setzten uns in die erste Reihe vor dem
Altar. Ich faltete meine Hände, wie schon lange nicht mehr, und betete leise
vor mich hin. Die Tränen rollten weiter über mein Gesicht. Der Schmerz war so
groß und wollte nicht aufhören. Es war mir unerklärlich was gerade passiert
war. Ich sah zum Altar und dachte plötzlich an die Kette, die ich immer noch in
meiner Hand hielt. Was hatte Schwester Sophia gesagt? Unter dem Altar ist eine
Schatulle die ich öffnen soll? Ich blickte zu Schwester Margarete rüber. Sie
stand gerade auf und legte ihre Hand auf meine Schulter. „Ich lasse dich ein
bisschen alleine. Wenn du magst, dann komm nachher zu mir und wir trinken eine
Tasse Tee zusammen.“, sprach sie zu mir und ging aus der Kapelle.
Ich blickte
mich in der Kapelle um, um sicher zu gehen, dass ich alleine war. Dann ging ich
zum Altar. Ich hob die schwere goldene Decke etwas hoch und kroch hinunter. Wo
soll hier eine Schatulle sein? Ich tastete alles mit meinen Händen im Dunkeln
ab, konnte aber nichts entdecken. Gerade, als ich wieder aus dem Altar
hervorkriechen wollte, stieß ich mir den Kopf. Mein Blick ging nach oben, ich
strich nochmals mit meiner Hand über das Holz und bemerkte so etwas wie eine
Einkerbung im Holz, etwas das einem Schlüsselloch ähnelte. Ich nahm meine Kette
und versuchte im Dunkeln das Schlüsselloch zu finden. Plötzlich gab es einen
Klick, irgendetwas hatte sich geöffnet und mir knallte eine kleine Kiste entgegen,
die ich gerade noch geschickt mit meinen Händen auffangen konnte. Ich kroch
unter dem Altar wieder hervor und blieb auf dem Boden sitzen. Erstaunt blickte
ich auf das was ich in meinen Händen hielt. Eine silberne Schatulle. Sie war
wunderhübsch, mit vielen Verzierungen. Und sie war bestimmt sehr wertvoll. Ich
sah
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