Nicolai
sie mir von allen Seiten ganz genau an und versuchte sie zu öffnen, doch
der Deckel der Schatulle blieb zu. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Schatulle
auch ein Schlüsselloch hatte. Schnell steckte ich den Schlüssel in das Schloss
und die Schatulle ließ sich öffnen. Neugierig blickte ich hinein. Ich nahm ein
kleines Notizbuch aus braunem abgenutztem Leder heraus, legte es aber zur
Seite. Denn entdeckte ich einen Briefumschlag. Auf ihm stand „Geliebtes Kind“ mit
schwarzer Tinte geschrieben. Ich drehte den Brief um und sah, dass die
Rückseite versiegelt war. Vorsichtig öffnete ich den Briefumschlag. Als ich den
Brief auseinanderfaltete fiel mir ein Foto entgegen. Ich nahm das Foto in meine
Hand und sah eine Frau die ein kleines Baby auf dem Arm hatte. Auf der
Rückseite stand geschrieben „ Alexandra’s 1.
Geburtstag, 1.9.1971.“ Für einen Moment hielt ich inne. Heute war mein
Geburtstag. Heute war der 1.9.2011. Heute bin ich 40 Jahre geworden. Bin ich
das etwa auf dem Foto? Ich holte tief Luft und fing an den Brief zu lesen:
„Geliebtes Kind, wenn du diesen Brief
das erste Mal in deinen Händen hältst, hast du 40 Jahre gut überstanden. Du
hast überlebt, es ist dir nichts passiert. Ich musste dich kurz nach deinem 1.
Geburtstag in die Obhut des Waisenheimes geben. Deine Mutter erlag einer
schrecklichen Tat eines Ungeheuers, das so mächtig war, dass ich große Angst um
dich hatte. Denn es wollte dich mir auch entreißen. Die Welt da draußen ist nicht
die, für die wir sie halten. Nicht’s ist so wie es
wirklich scheint. Wir sind umgeben von Dämonen, von Werwölfen, von Vampiren und
Hexen. Nur bemerken wir sie kaum, weil sie sich der Zeit angepasst haben und
dann zuschlagen, wenn man sich sicher glaubt und nicht damit rechnet. Deine
Mutter wurde von einem Vampir gebissen, in unserem Haus wo du geboren wurdest.
Ich konnte ihr nicht helfen, denn der Vampir nahm sie einfach mit. Ich hielt
dich damals auf meinen Armen ganz fest, um dich zu beschützen. Es war der
furchtbarste Moment in meinem Leben, denn ich konnte deiner Mutter nicht
helfen. Und das hätte mir nicht passieren dürfen. Denn ich, so wie auch du, wir
sind die Nachkommen von Van Helsing , dem wohl
bekanntesten Vampirjäger aller Zeiten. Ich gab dich damals in das Heim und machte
mich auf die Suche nach diesem Vampir und nach deiner Mutter. Es war einfach meine
Pflicht, diesen Vampir ausfindig zu machen und ihn zu töten. Ob es mich noch
gibt, ob ich deine Mutter gefunden habe, wer weiß? Doch suche bitte nicht nach
mir. Zu deiner eigenen Sicherheit. Pass gut auf dich auf und betrachte die
Menschen um dich herum ganz genau. In meinem Notizbuch findest du viele
Hinweise wie Vampire sind. Wie sie aussehen, wie sie sich tarnen, was sie
können, was sie wollen und vor was sie Angst haben und was sie tötet. Für dich
klingt das jetzt wahrscheinlich alles absurd. Aber glaube mir, das ist die
Wahrheit die du gerade erfahren hast. Du bist eine Van Helsing ,
eine Alexandra van Helsing . Und in dir fließt das
Blut einer Vampirjägerin. Ich liebe dich, dein Vater, Konstantin van Helsing .“
Ich
wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Das was ich eben gelesen hatte,
konnte und wollte ich nicht glauben. Was ist das für ein Quatsch? Wer macht
sich hier solch einen Spaß? Ich eine Vampirjägerin? Gut, den Namen Van Helsing hatte ich schon mal gehört. Aber ich hielt solche
Geschichten immer für Fantasy. Vampire, Werwölfe oder Dämonen, so etwas gibt es
nur in Filmen, im Kino. Aber doch bitte nicht im 21. Jahrhundert und schon gar nicht in Berlin. Wer glaubt denn so
etwas? Je mehr ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Ich sah mir
das Foto wieder an. Die Frau, die mich auf dem Arm hatte, war wunderhübsch. Sie
hatte lange braune Haare. Und der Mann daneben, das war dann wohl mein Vater.
Konstantin van Helsing . Irgendwie stockte mir der
Atem. Da erfahre ich nach 40 Jahren wer meine Eltern waren und dann kommt so
eine absurde Geschichte heraus. Enttäuscht und wütend packte ich das kleine
Notizbuch, den Brief und das Foto wieder in die Schatulle. Und verstaute es da
zurück wo ich es hergeholt hatte. Ich schnappte mir meine Tasche und machte
mich auf den Weg zum Hotel. Es wurde Zeit, schließlich war heute mein
Geburtstag und ich hatte ein Date. Mit Nicolai. Dem tollsten Mann der Welt. Das
gerade meine geliebte Schwester Sophia verstorben war, diesen Gedanken verdrängte
ich. Ich wollte jetzt nicht daran denken. Und auch
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