Nie genug (German Edition)
eine Bandage für mein Handgelenk. Ein Post it klebt auf dem Karton, mit einer Nachricht.
Maßarbeit!
Sag nicht, die wäre nicht sexy. ;)
Sam
Erst jetzt entdecke ich, dass Sam die hellgraue Bandage über und über mit brennenden Herzen verziert hat. Dieses Geschenk ist so dermaßen unromantisch, aber dafür so gut überlegt, dass es viel mehr wert ist, als Blumen und Pralinen. Nicht, dass ich auch nur eins dieser Dinge gerade verdient hätte.
19.
Normalerweise gönne ich mir bei jedem abgeschlossenen Manuskript so etwas wie Schokoladentorte oder ein besonders üppiges Essen. Doch irgendwie fühlt sich das nicht mehr richtig an. Es ist nicht so, als hätte ich auf diese Dinge keine Lust mehr. Die Priorität hat sich nur komplett verschoben, seit ich Sam kenne. Auch wenn Sam jetzt nicht mehr bei mir ist, Frustfressen bringt nur noch mehr Frust.
Ich schicke die Mail mit einem komplett überarbeiteten Manuskript an meine Agentin ab und bleibe erst einmal etwas verloren an meinem Schreibtisch sitzen. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit habe ich keine greifbare Deadline im Nacken und könnte mir theoretisch sogar ein Projekt meiner Wahl vornehmen, doch für den Moment bin ich froh, einmal ein wenig durchatmen zu können.
Seit der ersten Mail von Sam bekomme ich jeden Tag mindestens eine von ihm. Und so finde ich auch heute wieder eine in meinem Postfach.
Von: Samuel Wagner
An: Emma Lennartz
Cc:
Betreff: Kein Thema
Mein Kissen riecht immer noch nach dir.
Es sind immer nur kurze Mitteilungen ohne Anrede oder Grußwort, manchmal mit kleinen Aufmerksamkeiten, wie der Bandage, versehen. Doch nie eine Frage oder ein Wort, wie es ihm geht. Es ist auch meine Schuld, denn ich frage ja nicht. Vor einer Woche habe ich ihn abgeschossen, und hasse mich jeden Tag dafür, aber so geht es einfach nicht. Für uns beide nicht.
Einer inneren Eingebung folgend, ziehe ich mir Sams liegen gelassenen Kapuzenpullover über mein Langarmshirt. In der Küche greife ich mir ein paar Stoffbeutel und meine Geldbörse. Damit mache ich mich auf den Weg zum Wochenmarkt.
Ich weiß wirklich nicht, warum ich das so lange nicht mehr gemacht habe. Alles sieht so viel besser und appetitlicher aus, als im Supermarkt. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich wieder richtig Lust, etwas zu kochen. Meine Taschen quellen schon über, doch ich kann nicht widerstehen und muss noch ein paar Clementinen für das Essen bei Mark mitnehmen. Ich bezahle gerade die Früchte, als ich ein vage vertrautes Gesicht im Augenwinkel wahrnehme. Ein unangenehmes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus, und mein Verdacht bestätigt sich, als ich zur Seite an den Nachbarstand sehe.
Da steht er. Mein Ex. Er schiebt einen Buggy hin und her, mit einem Kleinkind darin. An seiner freien Hand hat er zur Krönung eine hochschwangere, junge Frau, die eigentlich eher noch in die Kategorie Mädchen fällt. Zu meinem Pech fängt er meinen Blick auf, und hat tatsächlich die Frechheit, mich anzulächeln. Wir sind nicht gerade friedlich auseinander gegangen, deswegen kann ich diese Reaktion absolut nicht begreifen. Ich bezahle die Marktfrau, nehme meinen Beutel Clementinen und will eigentlich nur noch von hier weg. Bei meinem Glück führt der einzige Weg natürlich an ihm vorbei.
„Emma? Bist du das?“ Er legt mir eine Hand auf die Schulter und ich muss mich wirklich zusammenreißen, um mich nicht grob aus seiner Berührung zu drehen.
„Hallo Christoph.“ Ich versuche mich an einem falschen Lächeln und versage auf ganzer Linie.
Bevor ich mich an ihm vorbeischieben kann, drängt er mir ein Gespräch auf.
„Wie geht es dir? Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen.“
Ich muss gestehen, er sieht gut aus. Besser als damals. Gesünder. Klarer. Doch was mich früher an ihm gereizt hat, kann ich heute nicht mehr erkennen. Er ist immer noch sehr schlank, aber er wirkt nicht so abgemagert wie damals. Seine blonden Locken haben einen ordentlichen Schnitt und nicht mehr diese schmutzig-zerfranste Optik.
„Mir geht es gut. Wie ich sehe, dir wohl auch.“
Es scheint surreal, doch als ich ihn mit seinem besten Freund erwischt habe, das war tatsächlich das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Seinen Auszug aus unserer damals gemeinsamen Wohnung hat meine Mutter
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