Niedersachsen Mafia
der Mann aus den leeren Flaschen empor und rieb
sich den Ellenbogen. »Das wirst du teuer bezahlen«, sagte er und schickte eine
ganze Litanei italienischer Flüche hinterher.
»Ist das eine Drohung, Trapattoni?«, zischte Schwarczer und machte
Anstalten, als wollte er den Türsteher am Revers packen und hochziehen. »Wir
gehen jetzt zu deinem Boss und erklären ihm, was für eine Flachpfeife er als
Türsteher eingestellt hat.«
Trapattoni fluchte in seiner Muttersprache, unternahm aber keinen
weiteren Angriffsversuch.
»Wo ist Ihr Alfa?«, fragte Frauke.
Der Italiener zischte ihr etwas Unverständliches entgegen.
»Für dich ist gleich Schichtende«, drohte Schwarczer und spielte
scheinbar zufällig mit zwei Einmalfesseln.
»Den habe ich einem Freund geliehen«, bequemte sich Trapattoni
zwischen den fast geschlossenen Lippen hervorzupressen, während er sein
Kaugummi ausspie.
»Und wer ist der Freund?«
»Ein Freund eben.«
»Wir möchten den Namen hören.«
»Eh, was soll das? Ist doch meine Sache.«
»Name!«
»Ein Landsmann. Italiano .«
»Giancarlo Rossi.« Frauke hatte geraten.
Für einen Moment war ein erschrecktes Aufblitzen in Trapattonis
Augen zu erkennen. »Warum fragt die Tante, wenn sie es weiß«, sagte er zu
Schwarczer.
»Was wollte Rossi mit dem Auto?«
»Keine Ahnung. Er hat mich gefragt. So einfach ist das.«
»Macht er das öfter – ich meine, das Auto ausleihen?«
»Warum interessiert das die Bullen? Ich sag jetzt nichts mehr.«
»Schön«, sagte Frauke. »Morgen früh um neun im Landeskriminalamt in
der Schützenstraße. Überlegen Sie bis dahin auch, wo Sie sich gestern am frühen
Nachmittag aufgehalten haben.«
»Warum das denn?«
»Weil wir dich wegen Mordes einbuchten«, mischte sich Schwarczer
ein.
»Pah! Hohle Sprüche.«
»Morgen früh«, wiederholte Frauke und drohte mit dem Zeigefinger.
»Und wenn Sie nicht erscheinen, holen wir Sie ab. Das gibt viel Aufsehen und
wird weder den Nachbarn noch Ihrem Boss gefallen.«
Trapattoni verfiel wieder in seine Muttersprache und schickte den
beiden Beamten einen ganzen Schwall Italienisch hinterher.
Schwarczer klopfte sich seine Lederjacke ab und rückte das Hemd
zurecht. »Soll ich Sie zurück zum Hotel bringen, oder möchten Sie noch etwas
trinken?«, fragte er.
Frauke war einen Moment unsicher, ob sie mit dem jungen Kollegen
noch etwas unternehmen sollte. Andererseits erwartete sie ein tristes
Hotelzimmer, und allein würde sie in der gegenwärtigen Situation nicht durch
die Stadt ziehen. Schwarczer hatte gezeigt, dass er Durchsetzungsvermögen
besaß. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher, wenn auch nicht ungezwungen.
Der Kollege war zwanzig Jahre jünger als sie, aber warum durfte eine Frau in
ihrem Alter nicht auch ein wenig geheimnisvolles Prickeln verspüren, selbst
wenn sie es unter allen Umständen verbergen musste? Dafür sprach die Vernunft.
Und die nötige Disziplin glaubte sie zu haben.
»Haben Sie einen Vorschlag?«, fragte sie.
Schwarczer nickte. »Kommen Sie. Wir laufen ein paar Schritte.« Ohne
die Antwort abzuwarten, marschierte er los.
»Ihr Auto?«, fragte Frauke.
Schwarczer winkte ab. »Es mag merkwürdig klingen, aber an einem
solchen Modell vergreift sich in dieser Gegend keiner.«
Frauke ahnte, was der Kommissar damit ausdrücken wollte. Der alte
Mercedes war kein bürgerliches Auto im herkömmlichen Sinne und hätte auch einem
Zuhälter gehören können. Da ließ man lieber die Finger von.
Schwarczer führte sie zu einem kleinen Platz, auf dem ein jetzt
geschlossener Pavillon für seine Currywurst warb. Das Haus eines großen
Bekleidungsgeschäfts sowie die Filiale eines Kaufhauses lockten mit ihren
dekorierten Schaufenstern zu dieser Stunde keine Bummler mehr an. Das galt auch
für die vielen Geschäfte in der Georgstraße. Sie trafen bis zum Kröpcke keine
Menschenseele, erst kurz vor dem ehemaligen Traditionskaufhaus Magis lehnte ein
Betrunkener an einer Bronzeplastik, die einen alten Mann mit einem Regenschirm
darstellte.
Der Weg führte sie am Kröpcke und dem Varieté vorbei, an den Läden
mit dem nobleren Angebot und an einer Bar namens »Henry’s«.
Schwarczer blieb vor einem Haus mit grau geputzter, fein
strukturierter Fassade stehen, in dem sich eine Bar befand. »Oscar’s« stand in
goldenen Lettern auf blauem Grund über der Markise. Damit es auch niemandem
entging, tauchte der Name noch einmal unterhalb der Markise in Leuchtschrift
auf. Tagsüber ließ sich die Front
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