Niedersachsen Mafia
schon die
neugierigen Blicke, als sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit als Letzte
eintraf.
Schwarczer nickte ihr freundlich zu, als sie ihm am Kaffeeautomaten
begegnete, und tat so, als hätte es den vorherigen Abend nicht gegeben.
Zumindest schien er solche Ausflüge eher gewohnt zu sein als Frauke, denn,
abgesehen von den Ringen unter den Augen, merkte man ihm nichts an. Sie ging
ihm hinterher, blieb am Eingang seines Zimmers stehen und sagte: »Trapattoni
sollte vor einer halben Stunde hier sein. Jetzt ist es halb zehn. Wenn er
erscheint, nehmen Sie sich seiner an. Ich werde noch einmal zum Großmarkt
fahren.«
Der Kommissar nickte nur.
Frauke forderte Putensenf auf, sie zu begleiten.
»Muss das sein?«, fragte der Kriminalhauptmeister.
»Los, Putensenf, kommen Sie in Schwung.«
Sie hatte sich auf den Beifahrersitz gekauert und die Hände vor der
Brust verschränkt. Es fröstelte sie. Natürlich bekam sie mit, dass Putensenf
sie kritisch mehrfach von der Seite musterte und die Nase rümpfte. Hoffentlich
riecht man nichts mehr, hoffte sie.
Als Putensenf erneut demonstrativ die Nase hochzog, fragte sie ihn:
»Sind Sie erkältet oder haben Sie Heuschnupfen?«
»Ich habe einmal eine Brauerei besichtigt«, erwiderte der
Kriminalhauptmeister. »Da hat es auch sehr streng gerochen.«
»Ist das schon lange her?«
»Schon eine Weile.«
»Da liegt dann ein Irrtum vor. Bei Ihrer Demenz können Sie sich
bestimmt nicht mehr erinnern.«
»Wie Madame meinen.« Dabei grinste Putensenf.
Auf dem Großmarkt herrschte das gewohnte Treiben. Auf dem Stand des
italienischen Importeurs waren heute Arbeiter beschäftigt, die Frauke noch nie
gesehen hatte. Ihr fiel zudem auf, dass es hier ruhiger zuzugehen schien als an
den anderen Ständen.
»Haben Sie es nicht nötig, schnelle Umsätze zu machen?«, fragte sie
Giancarlo Rossi, der sich wenig begeistert vom erneuten Besuch der Polizei
gezeigt hatte.
»Wir sind hoch profitabel. Aber Sie wollen nicht unsere
Steuererklärung prüfen?«
»Wie kommt es, dass Sie nur halb so aktiv sind wie Ihre Nachbarn?«
Rossi tippte sich an die Stirn. »Mancher macht sein Geschäft mit
Hektik. Wir benutzen unseren Verstand.«
Das stand im Widerspruch zu der Unruhe, die Rossi bei ihrem ersten
Besuch an den Tag gelegt hatte.
»Wenn Sie so profitabel arbeiten … Verraten Sie mir Ihr Geheimnis.«
»Wir haben uns lukrative Absatzwege erschlossen. Außerdem verkaufen
wir auch direkt an den Endkunden. So haben wir eine zusätzliche Handelsspanne.«
»Aha. Sie sind also Doppelverdiener.«
Rossi war die Spitze nicht entgangen. »Wie meinen Sie das?« In
seiner Stimme lag ein lauernder Unterton.
»Warum laden Sie die Medikamente in der Scheune in Dübbekold um und
nicht hier?«
»Die was?« Rossi starrte Frauke mit weit aufgerissenen Augen an.
»Die gefälschten Arzneien, die Sie über Weißrussland beziehen.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.« Rossi wollte zum Telefon
greifen, aber Putensenf war schneller und legte dem Mann die Hand auf den
Oberarm.
»Nun tun Sie nicht so erstaunt, als würde ich Ihnen erklären, wie
die kleinen grünen Männchen vom Mars ihren Nachwuchs zeugen.«
»Medikamente? Hier.« Rossi klopfte mit den Knöcheln seiner Hand
heftig auf einen Stapel Lieferpapier auf seinem Schreibtisch. »Wir handeln mit
Obst und Gemüse. Da sind viele Vitamine enthalten, weil wir für unsere frische
Ware bekannt sind. Aber deshalb würde ich es nicht ›Medikamente‹ nennen, nur
weil unsere Produkte gesund sind.«
Frauke erinnerte sich an die Aussage des russischen Lkw-Fahrers, der
behauptet hatte, dass das Gemüse in Weißrussland nach dem Ausladen vergammeln
würde. Sie verzichtete darauf, Rossi mit diesem Vorwurf zu konfrontieren. Es
hätte den harmlosen Fahrer in Gefahr gebracht. Rossi hätte immer noch behaupten
können, von den Geschehnissen in Weißrussland wisse er nichts, und dass die
Polizei vermutete, hier würde massiv Geldwäsche betrieben, wollte sie ihm noch
nicht erzählen. Es reichte, wenn die Organisation aufgeschreckt war. Ein Fuchs
hatte in einem Hühnerstall immer dann die größten Erfolgsaussichten, wenn alles
kopflos durcheinanderflatterte.
Zu den Medikamenten würden sie keine weiteren Auskünfte erhalten.
Falls Rossi damit zu tun hatte, würde er wissen, dass man ihm nichts beweisen
könnte. Die Arzneien wurden in einem großen Bogen um Hannover herumgeleitet.
»Woher kennen Sie Trapattoni?«
Rossi grinste unverschämt, hob die Hände und
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