Niedersachsen Mafia
des schmalen Schlauches ganz öffnen. Jetzt
säumten zwei Palmen links und rechts die Bar. Ein großes Fass mit der
Aufschrift »Guinness« diente zwei Männern als Stehtisch. Sie hatten sich auf
der großen Platte auf dem Fass abgestützt und waren in eine lebhafte Diskussion
verwickelt. Gegenüber, erinnerte sich Frauke, lag jetzt im Dunkeln das
Bankenviertel, in dem alle bedeutenden Geldinstitute der Republik und die Börse
ihren Sitz hatten, einen Steinwurf weiter befand sich die Zentrale der
Norddeutschen Landesbank.
Schwarczer nickte dem Barkeeper zu. An dessen Erwiderung glaubte
Frauke zu erkennen, dass der Kommissar hier kein Unbekannter war. Sie wählten
einen Platz auf der Empore gegenüber der Bar. Frauke sah sich in dem
schlauchartigen, gediegen eingerichteten Lokal um.
»Was möchten Sie?«, wurde sie von Schwarczer abgelenkt.
»Ich verlasse mich auf Ihre Empfehlung.«
Schwarczer ging zum Tresen. Von Weitem sah Frauke, wie er sich mit
dem Barkeeper unterhielt. Schließlich kehrte er an ihren Tisch zurück und
stellte ihr eine hochstielige Schale hin, in der zwei Rosenblätter in einer
prickelnden Flüssigkeit schwammen.
Frauke nippte an dem Getränk, nachdem sie dem Kommissar zugeprostet
hatte. »Champagner«, sagte sie nach dem Probierschluck.
»›Rosemarie‹ heißt der Cocktail«, erklärte Schwarczer. »Champagner
mit Rosenöl.«
Es war eine ungewohnte, aber durchaus interessante Komposition,
stellte Frauke fest. »Und was trinken Sie?«
Schwarczer lächelte. »›Papa Hemingway‹. Das ist brauner und weißer
Rum, Grand Marnier und einige weitere Geheimnisse.«
»Hierher entführen Sie Ihre Freundin?«, fragte Frauke.
»Wen auch immer«, wich Schwarczer aus.
»Oder erobern Sie sich immer wieder neue Bekanntschaften?«
»Das Leben hat viele Seiten.«
»Ist es zu geheimnisvoll, um darüber zu reden?«
»Ich versuche, Ihren Verhörtechniken standzuhalten.« Er lachte und
prostete ihr zu.
Frauke gab es auf. Der Kommissar wollte nicht über sein Privatleben
sprechen. Sie wechselten das Thema und sprachen über die Stadt. Nachdem Frauke
die zweite »Rosemarie« getrunken hatte, überkam sie eine gewisse Leichtigkeit.
Sie spürte den Alkohol. Das lag sicher an der Überarbeitung, dem geringen
Schlaf und vor allem am Stress der letzten Tage. Dennoch wurde sie mutig, als
Schwarczer die nächsten Getränke holen wollte.
»Ich möchte auch einen ›Hemingway‹«, bat sie.
»Sicher?«
Sie nickte und sah ihm nach. Merkwürdig, dachte sie, warum wirken
Männer mit Glatze auf Frauen oftmals besonders maskulin? Als er zurückkam,
probierte sie den Cocktail. Es war eine ebenso raffinierte wie gefährliche Mischung.
Die große Menge Alkohol wurde durch Lemon Squash und Gingerale verdeckt, sodass
die Schärfe nicht durchdrang. Sie wichen auf Hemingway und seine Vorliebe für
ein sehr ungezügeltes Leben aus, ohne dabei sehr tiefgründig zu werden. Frauke
spürte immer deutlicher die Wirkung des Alkohols und die aufkommende Müdigkeit.
Trotzdem bat sie um einen weiteren »Papa Hemingway«.
Es war weit nach Mitternacht, als Schwarczer sie zu ihrem Hotel
zurückbegleitete.
SECHS
Frauke saß lustlos vor einem halben Brötchen mit Marmelade. Sie
hatte bereits die zweite Tasse Kaffee getrunken, aber der bohrende Schmerz in
ihren Schläfen wollte nicht verschwinden. Die kurze Nacht und der ungewohnte
Alkohol forderten ihren Tribut.
Im Frühstücksraum war sie den drei Männern begegnet, die sie am
gestrigen Abend im Hotelfoyer angesprochen hatten. Ferdinand, der sich so kess
gezeigt hatte, war mit einem leise gemurmelten »Guten Morgen« an ihr
vorbeigeschlichen und hatte verschämt den Kopf zur Seite gedreht. Alkohol
enthemmt, dachte sie, und dabei wurde ihr bewusst, dass sie am Vorabend in der
Bar auch mehr getrunken hatte, als es die Umstände gestattet hätten. Ob es an
Hannover lag? Immerhin gab es hier mit der Bischöfin ein prominentes Opfer, und
dem Adeligen, der schon mehrfach durch Prügeleien und andere Exzesse
aufgefallen war, wurde auch nachgesagt, dass er nicht gerade abstinent lebte.
Nein! Das war Unsinn. Hannover überraschte mit anderen Dingen, zum Beispiel als
Standort einer skrupellosen und überaus aktiven kriminellen Organisation.
Frauke ließ ihr Frühstück stehen, holte ihre Utensilien und kündigte
an, dass sie heute ausziehen werde. Sie bat um die Rechnung, verstaute ihre
Habe in ihrem Audi A 3 und fuhr zum
Landeskriminalamt. Niemand gab einen Kommentar ab, aber sie spürte
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