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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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alles erledigen musste! Er nahm das Taschentuch und wischte sich den Schweiß vom Nacken. Auf dem Boden bemerkte er eine kleine, glitzernde Stelle, er ging in die Knie, um sie genauer zu untersuchen. Der Boden war steinig, hart und ausgedörrt, er war überall von gelblicher bis bräunlicher Farbe. Der auffällige Fleck war die einzige feuchte Stelle auf dem trockenen Boden, er beugte sich dicht über ihn. Er schwitzte schon wieder. Schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit musste er sich mit dem Taschentuch den Nacken abtrocknen. Als er das Tuch wegstecken wollte, spürte er, dass es feucht und klebrig war. Er betrachtete es: Es war mit blutigen Flecken übersät. Blitzschnell drehte er sich um und blickte hoch. Verdammt, von dort oben tropfte es herunter! Er konnte einem weiteren fallenden Blutstropfen gerade noch ausweichen, er sprang auf und lief voller Entsetzen von der Wand weg. Herrgott, lass es nicht wahr sein! Lass es nicht Holger sein, der da oben hängt und herunterblutet! Als der Putzi ein paar Meter gelaufen war, drehte er sich um, zückte das Fernglas und sah hoch. Er konnte ihn nicht gleich finden, die Tarnkleidung, die er ihm angezogen hatte, verschmolz zu gut mit dem Fels. Doch dann sah er, dass der widerspenstige Wiedergeborene an einer schrägen, zackigen Felsenkante hing. Er lag auf dem Rücken, der Kopf ragte frei über den Abgrund. Der Putzi hastete weiter, auf eine gegenüberliegende Anhöhe zu. Der Weg dorthin war ein ziemliches Auf und Ab, er musste einen ausgetrockneten Wasserlauf und mehrere steinige Abhänge überwinden. Der Putzi war völlig außer Atem, als er nach einer Viertelstunde des Rennens und Kletterns endlich an einer Stelle angelangt war, von der aus er einen guten Blick auf den unteren Teil der Wand hatte. Wieder zückte er das Fernglas. Tatsächlich. Dieser Holger musste sich bei seinem Absturz an einem Felsvorsprung verfangen haben. Er hing regungslos da, er hatte eine unnatürliche, verdrehte Haltung eingenommen, er war vermutlich tot. Aber wie war das nochmals: Tote bluteten doch nicht mehr! Der Putzi überlegte fieberhaft. Was sollte er jetzt tun? Er wollte das Fernglas gerade senken, da schob sich ein grellbunter Fleck von oben ins Bild. Er schwenkte und stellte scharf. Den Putzi überlief es heiß und kalt. Kruzitürken, was war denn das wieder für eine Katastrophe! Da kletterte ein auffällig gekleideter Bergsteiger putzmunter herum, die Wand herunter, direkt auf den Felsvorsprung zu, auf dem Holger lag. Der Putzi musste eilig von hier verschwinden. Obwohl. Plan B. Der Putzi öffnete seinen Rucksack, wickelte die uralte Lacombe aus dem Papier und steckte sie zusammen.
     
    Johnny Winterholler war heute verdammt früh aufgestanden, aber das machte ihm nichts aus, Bergsteiger sind so etwas gewohnt. Die Gemüsehandlung Altmüller war noch geschlossen, deshalb versteckte er den Stapel ungewaschener Geldscheine sorgfältig unter dem Blumentopf im Garten, riss ein paar Lexikonseiten heraus und brach auf. Er war guter Dinge. Wer ertrank im September 1913 im Ärmelkanal? a) Rudolf Diesel b) Nicolaus August Otto, c) Carl Friedrich Benz oder d) Gottlieb Wilhelm Daimler? Das Geld würde er eben dann morgen altmüllern und in seiner luftigen Dependance verstecken. Er stapfte die Gletschwanne hinauf, ging über den Trösselsteig zum Hochanger, stieg dann von oben in die Steinköflerwand ein. Als er um eine Felskante blickte, bemerkte er, leicht schräg unter ihm, einen Gurt, der sich im Wind bewegte. Dieses flatternde Etwas musste der Tragegurt eines Rucksacks sein. Winterholler kletterte einige Meter weiter, um eine Felskante herum. Er erschrak. Der Mann, dem der zerfetzte Rucksack gehörte, lag in zehn Metern Entfernung auf dem Rücken, seine Arme waren verdreht, der Kopf war nach hinten gefallen und ragte über den Abgrund. Der Mann trug feldgraue Tarnkleidung, Johnny Winterholler musste sofort an etwas Militärisches denken.
     
    Der Felsvorsprung, auf den das Bergopfer gefallen war, war schmal und bot dem Daliegenden kaum Platz. Die Oberfläche des Vorsprungs war nicht eben, sie fiel stark nach außen ab, und der Mann wäre unter normalen Umständen sicherlich abgerutscht. Winterholler sah sofort, warum er auf dem Felsvorsprung geblieben war: Er war auf einen spitz herausstehenden Felszacken gefallen. Solche
Perchtenscheucher
waren eine Folge von Gesteinsauswaschungen, sie kamen in Kalksteingebirgen öfter vor. Der Zacken ragte aus dem Oberschenkel des Mannes und hielt

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