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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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schauen Sie halt nach!«, rief ihm Johnny Winterholler wütend nach. »Klettern Sie zu der Stelle hin, da werden Sie drei frische Steinabbrüche finden. Alle Brüche rühren von Schüssen her!«
     
    »Ja, er hat recht, es gibt frische Steinabbrüche«, knurrte Stengele, als er wieder im Beobachtungsraum und außerhalb der Hörweite von Winterholler war. »Ob die allerdings von Schüssen herrühren, da bin ich mir nicht so sicher. Könnte aber sein. Becker liefert die Ergebnisse erst in ein paar Stunden.«
    Stengele setzte sich. Alle wandten ihre Blicke zur Glasscheibe, durch die man ins Innere des Verhörzimmers sehen konnte.
    »Mein Name ist Kriminalkommissarin Schwattke«, eröffnete Nicole dort gerade die Befragung. »Herr Winterholler, ich will ganz offen sein. Wir haben Ihr Haus durchsucht. Der ganze Keller ist voll von altem Bergsteigerzeug. Wir haben Dutzende von Rucksäcken gefunden, unendlich viele verschiedene Seile, von einem Arsenal an Bergsteigerkleidung und alpinen Ausrüstungsgegenständen ganz zu schweigen. Warum sammeln Sie das alles?«
    »Wir hatten – ich hatte mal eine Kletterschule. Vor langer Zeit. Und ich mag nichts wegwerfen. An jedem Stück Seil hängt eine Erinnerung. Zu jedem Karabiner gibt es eine Geschichte. Das ganze Zeug ist zwar alt, aber jedes einzelne Stück ist noch voll funktionsfähig. Außerdem –«
    »Außerdem?«
    Winterholler überlegte. Von der erträumten Himalaya-Expedition, von der Extremtour auf die Annapurna II wollte er nichts erzählen. Das ging niemanden etwas an.
    »Ich habe daran gedacht, eine historische Bergtour auf die Zugspitze anzubieten, in alten Ausrüstungsgegenständen, der Erstbesteigung durch Josef Naus nachempfunden. Aber warum haben Sie mein Haus durchsucht?«
    »Herr Winterholler, ich will wieder ganz offen sein. Sie stehen unter dem dringenden Verdacht, etwas mit den vier Bergopfern zu tun zu haben, die bisher gefunden worden sind.«
    »Vier Bergopfer?«
    »Tun Sie nicht so. Lesen Sie keine Zeitung? Gucken Sie kein Fernsehen?«
    »Ich habe keine Zeitung abonniert. Und im Fernsehen schaue ich nur bestimmte Sendungen. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Ich bin leidenschaftlicher Bergsteiger, ja, zugegeben. Ich sammle Bergausrüstung, auch richtig. Aber mit diesen vier Bergopfern habe ich nichts zu tun.«
    »Sie wissen also doch von den Bergopfern.«
    »Ja, ich habe am Rande davon gehört. Hier in den Bergen gibt es alle paar Wochen ein Bergopfer. Wenn ich auch einmal offen sein darf.«
     
    Die Frau, die sich als Kommissarin Nicole Schwattke vorgestellt hatte, nickte, notierte etwas und ging hinaus. Nach einiger Zeit kam ein unauffälliger Mann von undefinierbarem Alter herein. Er schloss die Tür langsam, setzte sich schweigend an den Tisch und blickte ihn an. Er massierte seine Schläfen mit Daumen und Zeigefinger, dann schaute er ihm direkt in die Augen. Johnny Winterholler hielt dem Blick stand. Der Mann machte keine Anstalten, das Gespräch zu eröffnen und das Verhör weiterzuführen. Dieser Mann kam sich wohl ganz furchtbar schlau vor. Das war irgendeine Verhörtechnik, die in irgendeinem Lehrbuch stand oder in irgendeinem James-Bond-Film vorkam. Mürbe machen durch Schweigen. Aber da war er bei ihm an den Falschen geraten. Ein Bergler ist es gewohnt zu schweigen. Es gibt keinen Ort, wo so viel und intensiv geschwiegen wird wie am Berg. Der Bergsteiger ist der Wächter des Schweigens. Er ist der Gärtner, der das empfindliche Gewächs der Stille gießt. Johnny Winterholler entspannte sich. Vor einer Woche war schon bei Gewinnstufe eins eine schöne Frage gekommen: Wenn ich einen frisch eingerichteten Computer vollschreibe, wird der Computer dadurch a) schwerer, b) leichter, bleibt er c) gleich schwer, oder kommt es d) darauf an, welche Daten ich eingebe? Ich kenne mich mit Computern nicht aus, hatte der Kandidat gesagt und war ausgeschieden. Er ging noch ein paar Rätsel im Geiste durch, der Mann ihm gegenüber schwieg eisern. Er ließ Winterholler dabei nicht aus den Augen. Er schien jetzt spöttisch zu lächeln, als ob er bei diesem sonderbaren Verhör schon ein gutes Stück weitergekommen wäre. Bisher war noch kein einziges Wort gefallen. Sollte
er
vielleicht das Gespräch eröffnen? So, ich habe nicht unendlich lange Zeit, meinen Namen kennen Sie, bitte stellen Sie sich vor und kommen Sie endlich zur Sache. Der unauffällige Mann dort drüben erwartete das vielleicht. Wer zuerst das Schweigen brach, hatte verloren.
     
    »Toll«,

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