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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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zwei Notfallkoffer ablegen. Der Felszacken steckte so im Oberschenkel, dass man ihn unmöglich hätte herausziehen können, ohne eine stärkere Blutung zu verursachen. Die zweite Möglichkeit wäre eine Durchtrennung des Äußeren Schenkelmuskels und der Fascia lata gewesen, um das Bein dann einfach seitlich von der Felsspitze wegzuziehen. Auch das war mir zu riskant, die Blutung der Oberschenkelschlagader wäre kaum zu stoppen gewesen. Der spitze Stein hatte sich so in den Muskel gebohrt, dass er die Oberschenkelarterie gleichzeitig durchtrennt hatte und abklemmte. Beim Herausziehen wäre der Verletzte hundertprozentig verblutet. So gab es nur eine letzte, kleine Chance.«
    Sie führte Hölleisen zur Sitzbank, nötigte ihn, sich auf den Rücken zu legen, und demonstrierte ihr Vorgehen an seinem Oberschenkel.
    »Die einzige Chance wäre eine Amputation des Beines gewesen. Sofort, an Ort und Stelle.«
    Einige im Team schluckten. Die Ärztin deutete bei Hölleisen mit dem Finger auf die Stelle, wo man hingreift, wenn man sich vergewissern will, ob man noch genug Münzen in der Hosentasche hat.
    »Ich hätte die Arterie weiter oben abgeklemmt, dann hätte ich hier ein Stück weiter unten geschnitten. Ritsche, ratsche, das hätte den Blutverlust stoppen können.«
    Hölleisen quiekte.
    »Geht es etwas weniger detailliert, Frau Doktor?«, sagte Jennerwein.
    »Ich erkläre es bloß deswegen so genau, damit man versteht, was danach kommt. Ich konnte ihm keine Vollnarkose geben, das wäre zu riskant gewesen. Ich wollte ihn lokal betäuben, ich habe also eine Spritze mit Mepivacain aufgezogen. Dann habe ich dem Hubschrauber ein Zeichen zum Wegfliegen gegeben, ich wollte die Atemgeräusche des Opfers genau hören. Ich wollte ihm gerade die Spritze setzen, da ist er erwacht. Er blinzelte mit den Augen und sah in meine Richtung. Dann sagte er
Roswitha! Bist du es, Roswitha?
Was sollte ich machen! Ich dachte, das ist irgendeine Liebesgeschichte, und bevor er wieder einschläft, schadet es nicht, wenn ich sage
Ja, ich bin es!
«
    »Das ist edel, Frau Doktor.«
    »Das fand ich auch. Doch er hat mich am Revers gepackt und mit letzter Kraft
Roswitha! Du dämliches Luder!
herausgepresst. Dann ist er gestorben. Und ich habe meine Knochensäge wieder eingepackt und dem Hubschrauber gewinkt. Nützt Ihnen das was?«
    »Ja«, log Jennerwein. »Vielen Dank für den ausführlichen Bericht.«
     
    Nachdem das knallrote Notfallgummiboot gegangen war, mussten sich alle erst ein wenig entspannen. Hölleisen massierte sich den Oberschenkel und vertrat sich das Demonstrationsbein.
    »Puh«, sagte er. »Da bin ich ja gerade noch einmal davongekommen.«
    Das Telefon im Büro klingelte, Ostler ging hinüber und nahm ab. Als er wieder zurückkam, war er kreidebleich.
    »Im Ort wird ein Kind vermisst«, sagte er.

45
    Und der HE rr rief mit zorniger Stimme zu Esra: Jauchzen und frohlocken sollst du. Und Esra sprach: Wie soll ich das machen, HE rr? Und der Erzengel Ramiel stieg herab und lehrte Esra das Jauchzen.
    Esr 11, 8
    »Ich kann es immer noch nicht fassen«, sagte Schratzenstaller, während er ein paar tausend gierige Archicnephia mit Feigenkaktussaft fütterte. »Der ▇▇▇▇▇, du glaubst es nicht. So ein sympathischer Bursch, und dann das!«
    »Da wirst du noch ganz andere Überraschungen erleben«, entgegnete Swoboda. »Die Fußballnationalmannschaft ist das Sonntagsgeschirr der Nation, und da gibt es kaum einen Teller ohne Kratzer. Und keine Schüssel ohne Sprung.«
    »Hast du mir etwas mitgebracht von der Zugspitze?«
    »Feinstes biologisches Material von drei Schweizer Nationalspielern. Gerade in diesen Touristenrestaurants ist es furchtbar leicht, ungestört ein und aus zu gehen – mit der richtigen Verkleidung selbstverständlich. Bei dem internationalen Personal fällt einer mehr oder weniger nicht auf. Das Restaurant auf der Zugspitze macht da keine Ausnahme.«
    »Und ich habe mir unter Schweizern immer besonders integre Existenzen vorgestellt. Saubere Straßen, blühende Wiesen, untadelige Bürger.«
    »Ja freilich! Und jeder hat eine Kuckucksuhr in der Tasche und einen Apfel auf dem Kopf.«
     
    Nach einer knappen halben Stunde hatte Schratzenstaller ein paar Mückenpioniere auf die Spur eines der Schweizer Spieler gebracht. Nach einer weiteren Stunde hatte er schon erste Ergebnisse.
    »Er ist an der Talstation der Zugspitzbahn ausgestiegen und ist, der Geschwindigkeit nach zu schließen, zu Fuß in Richtung Partnachklamm

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