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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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mir die Adresse der Familie Neuner, ich gehe hin und besorge ein Spielzeug von dem Kind.«
    »Die haben einen Garten, da liegt sicher irgendwas herum.«
    »Sehr gute Idee, Schratzi. Du fängst langsam an, in geordneten außergesetzlichen Dimensionen zu denken.«
    »Das habe ich eigentlich immer schon getan.«
    »Dann befragen wir deine Schusterkugel, wo das Kind gefangen gehalten wird. Wir schicken den Johnny Winterholler hin, der soll da hinklettern und das Maderl rausholen.«
    »Dann weiß der Winterholler aber –«
    »Er muss natürlich dann von dem Fall abgezogen werden. Das Kind ist wichtiger. Wir werden einen anderen Testkletterer finden. Wo ist der Johnny grade?«
    »Lass mich nachschauen, gestern Steinköflerwand, heute Kämikopf. Er dürfte grade auf dem Rückweg sein.«
    »Das ist gut, da könnte ich ihn abfangen. Schau einmal nach, wo er genau ist.«
    Schratzenstaller beugte sich über die Schusterkugel, notierte etwas, beugte sich erneut über sie, schüttelte den Kopf, studierte die Karte des Ortes, versenkte sich erneut in die Kugel.
    »Was ist los, Schratzenstaller? Mach voran, es eilt.«
    »Der Winterholler hat einen anderen Weg genommen. Er ist – im Café Loisach.«
    »Ja, dann trinkt er halt einmal was anderes als seinen gräusligen Misteltee. Wo ist das?«
    »Nein, nein, das Café Loisach ist kein Café. So nennen wir unser Gefängnis. Weil es direkt an der Loisach liegt.«
    »Er ist im Heefen? Bist du ganz sicher?«
    »Ganz sicher. Schon mehrere Stunden.«
    Die beiden Männer blickten sich an.
    »Ich habe einen unguten Verdacht.«
    »Ich auch.«
    »Wie auch immer, was tun wir jetzt ohne Winterholler? Wir können das Maderl nicht selber aus einer steilen Felswand herausholen.«
    »Wir geben einen anonymen Hinweis, wo sie ist«, schlug Schratzenstaller vor.
    »Moment, Moment, ein bisserl was möchte ich schon an Gegenleistung von der Staatsmacht. Wir machen es so. Ich gehe zur Familie Neuner, du fängst sofort mit der Suche an. Ich nehme gleichzeitig Kontakt zum Oberkieberer Jennerwein auf und verspreche ihm, dass er die Koordinaten des Kindes baldmöglichst bekommt. Dafür möchte ich was anderes von ihm.«
    »Freiheit für Winterholler?«
    »So ist es.«
    »Wie nimmst du Kontakt zu dem Jennerwein auf?«
    »Dazu muss ich ausnahmsweise ein bisserl gewalttätig werden. Ausnahmsweise. Und auch nur ein bisserl.«
     
    Swoboda machte sich ausgehfertig. Luigi Odore, dieser Idiot, dachte er, während er sich einen seiner bevorzugten Ziegenbärte anklebte. Hat der mir doch tatsächlich Falschgeld untergejubelt, mit dem ich dann den Winterholler bezahlt habe! Und damit eine breite Spur hierhergelegt. Wie hieß die Pension oberhalb der Partnachklamm nochmals? Forsthotel Klammrauschen. Das passte zu Odore. Jetzt wurde es Zeit, das große
Campioni-del-mondo
-Projekt gezielt anzupacken. Doch vorher galt es noch, ein Kind zu retten.

46
    Hatt i des vorher gwisst – holladreijo
    dass mei Kua Gras bloß frisst – holladreijo
    hatt i des vorher ghört – holladreijo
    hatt i mei Wiesn net teert!
    Gstanzl mit Jodler
    Der unscheinbare, abgelegene Parkplatz am Fuße des Zirler Berges war ein absoluter Glücksfall. Der Putzi stellte den Motor des Jeeps ab und steckte das alte Militärfernrohr zusammen. Gut, was sollte man machen, dann wusste es die Mutter eben. Sie wusste es, und sie würde schweigen. Sie hatte schon immer geschwiegen, zu allem, und sie würde auch jetzt den Mund nicht aufmachen, nicht nach so langer Zeit. Oder war sie doch ahnungslos? Weswegen hatte sie aber dann die Löcher im Findling hinten im Garten, an dem er immer klettern geübt hatte, zugegipst? Wie auch immer – selbst wenn sie zur Polizei liefe, hier würden die ihn nicht so schnell finden. Hier war sein Königsversteck, seine absolut sichere Bastion, sowohl für die junge Novizin dort droben als auch für ihn hier unten.
     
    Dass diesmal ein Kind in der Nische saß, hatte zunächst einen ganz naheliegenden Grund. Denn inzwischen war es schier unmöglich geworden, im Werdenfelser Tal einen einsamen Wanderer auf einem Spazierweg anzusprechen und zu einem der vorbereiteten Plätze zu führen: Es gab keine einsamen Wanderer mehr. Es gab verbissen dahinstapfende und nervös um sich blickende Zweckgemeinschaften, die zeigen wollten, dass sie keinerlei Angst hatten. Brav, weitermachen. Natürlich liefen die üblichen Katastrophentouristen herum, die mit selbsternannten Bergführern von Fundort zu Fundort hasteten und sich dazwischen

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