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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Anarchisten geworden.«
    »Wegen einem sauren Wieserl riskiert der so viel? Dass er sogar bei uns mitmacht?«
    »Es geht ihm nicht um die Wiese an sich, es geht ihm ums Prinzip. Zum Schluss wollten sie sogar ein Enteignungsverfahren gegen ihn einleiten. Jetzt nimmt er jede Gelegenheit wahr, die Behörden zu ärgern.«
    »Der alte Schratzenstaller, sein Vater, das war ein ähnlicher Querkopf«, bestätigte Ignaz.
    »Was habt ihr ihm eigentlich versprochen?«, fragte Ursel. »Geld kanns ja nicht gewesen sein. Davon hat ihm sein Vater einen Haufen hinterlassen.«
    »Erstens ist davon nicht mehr allzu viel übrig, das hat er schon ziemlich aufgebraucht für Rechtsanwälte, Gegengutachten und Geldstrafen. Und für Geld alleine hätte er es auch nicht gemacht. Wir unterstützen ihn auf andere Weise. Wir spielen ein bisserl Sancho Pansa und helfen dem Don Quixote mit dem Bienenstachel bei seinem persönlichen Kampf gegen die staatlichen Windmühlen. Mit Rechtsanwälten, Gutachtern, geeigneten Bestechungen, Nötigungen und Drohungen an den richtigen Stellen. Das ganze Register eben.«
    Soweit musste es kommen. Dass eine ehrenwerte sizilianische Familie einem Werdenfelser Quertreiber und Misanthropen aus der Patsche hilft. Dass sich das Verbrechen einmischt in die Belange uralter Traditionspflege und Lebensweise. Ein seltsames Völkchen war das schon, dort unten im schönen Loisachtal.
    »Als Gegenleistung führt er uns in die aufregende Welt der Insekten ein«, sagte Swoboda. »Da kennt er sich aus wie kein Zweiter. Über Mistkäfer, Stechmücken und Grashüpfer weiß er alles. Ich würde gerne noch weiter mit euch plaudern, aber ich muss weiter.«
    »Swoboda, tu uns einen Gefallen. Schau doch einmal, ob es im Kurort die Altmüllerin und ihr Gemüsegeschäft noch gibt. Vielleicht hat auch ihr Sohn den Laden inzwischen übernommen. Jedenfalls hat es dort immer die besten Kartoffeln gegeben. Bring uns bitte zehn Kilo mit.«
    »Ui ja«, rief Ignaz. »Ein echter bayrischer Kartoffelsalat, das wär wieder einmal was!«
    »Die Kartoffeln in Hühnerbrühe gekocht –«
    »Mit viel Kümmel –«
    »Hauchdünnen Radieschenscheiben –«
    Langes Schweigen, Nicken, dann schließlich:
    »Und Safran.«
    »Ja, ja, schon gut«, rief Swoboda. »Ba, ba!«
     
    Swoboda überquerte den Brenner, ließ Innsbruck hinter sich und genoss das rauer werdende Klima. Kurz vor der Ausfahrt Zirl-Ost bäumte sich gleich neben der Autobahn eine wuchtige Felswand hoch, ein Ah und Oh jedes preußischen Italienurlaubers. Er schaltete das Radio ein und hörte von dem Leichenfund auf der Zugspitze.
    Alle Jahre wieder, sagte er zu sich selbst. Wo diese Touristen überall hinaufsteigen, das ist unglaublich.
    Er schaltete das Radio wieder aus, versäumte dadurch ein Interview, das die Polizeipsychologin Frau Dr.Maria Schmalfuß zu dem Fund gab. Sie wurde zum Thema Höhenangst befragt und gab kluge Antworten.
    Swoboda überquerte die deutsche Grenze bei Mittenwald, rechter Hand zogen die sanft geschwungenen Hügel des Gschwandt vorbei, linker Hand blinkte schon die weithin sichtbare Sprungschanze.
    In einer verschwiegenen Parkbucht machte er seinem Namen als Verkleidungskünstler alle Ehre, selbst Spalanzani hätte ihn nicht wiedererkannt. Dann fuhr er in den Kurort, parkte das Auto und spazierte als rüstiger, eichkätzchenfütternder Rentner den Philosophenweg hoch. Er ging an der Wallfahrtskirche St. Anton vorbei, und als er um eine Biegung kam, breitete sich das Werdenfelser Tal vor ihm aus, sommerlich duftend und in voller Blütenpracht. Sein Blick blieb am Polizeirevier des Kurortes hängen. Vielleicht saß er ja drinnen, der Kommissar Jennerwein? Vielleicht arbeitete er immer noch an den Rätseln, die ihm die Graseggers und er selbst in den letzten Jahren aufgegeben hatten. Swoboda summte das Lied vom Wildschütz Jennerwein, und aus dem leisen Summen wurde ein Trällern, schließlich sang der Österreicher, sozusagen als kleines Willkommens-Gstanzl:
    »♫ Es war ein Schütz in seinen besten Jahren,
    der wurd hinweggeputzt von dieser Welt …«

18
    Ah, lache, Bajazzo, über deine zerbrochene Liebe!
    Lach über den Schmerz, der dir das Herz vergiftet!
    Ah! Huhu! Ach-ch! Huhu! Ah! A-haha-hu!
    Ruggero Leoncavallo, Der Bajazzo
    Jennerwein hätten die Ohren klingen sollen, aber er war viel zu sehr mit dem jetzigen Fall beschäftigt, um ein diesbezügliches Klingen zu hören. Hätte er gewusst, dass nur ein paar hundert Meter entfernt … Hätte, hätte,

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