Niedertracht. Alpenkrimi
ein Schuh draus, dachte der Putzi.
17
Holijo (Gebärdensprache)
Karl Swoboda schaukelte unauffällig durch das sommerliche Norditalien und sang, summte, raunzte und moserte alle möglichen Wiener Lieder. ♫ Drunt’ in der Lobau hab ich ein Mädel geküsst … ♫ Mir hat heut träumt, es gibt kein Wein mehr …
Erst nachdem er den Gardasee hinter sich gelassen hatte, konzentrierte er sich auf den vor ihm liegenden Auftrag. Der Problemlöser, gerade eben noch im inneren Zirkel sizilianischer Macht, jetzt unter dem weiten würzigen Südtiroler Himmel, war guter Dinge. Das konnte diesmal eine wirklich große, eine lukrative und gleichzeitig interessante Sache werden. Das war keine Reparatur von Stückwerk, den irgendwelche Pfuscher angerichtet hatten – so wie es beim letzten Auftrag mit den drei depperten chinesischen Killern geschehen war. Das war diesmal etwas wirklich Produktives und Kreatives: Die Installation eines biologischen Ortungssystems, das hatte was von Moonraker und James Bond. ♫ Wann ich einmal stirb’, müssen mich d’ Fiaker trag’n … Er verließ die Autobahn und steuerte eine gottverlassene Gegend in Alto Adige an. Er vergewisserte sich, dass ihn niemand, weder Mensch noch Insekt, verfolgte, dann fuhr er über ein paar verschlungene Nebenstraßen zum Domizil des Werdenfelser Bestattungsunternehmerehepaares Ursel und Ignaz Grasegger. Er kam gerade recht zu einem kleinen Ehegeplänkel.
»In eine Schweinsbratensoße passt doch kein Safran!«, sagte Ursel und verdrehte die Augen.
»Mein Ururgroßvater hat immer welchen hineingegeben«, schoss Ignaz zurück.
»Das glaubst du doch selber nicht! Wo soll denn der damals, zu König Ludwigs Zeiten, Safran hergehabt haben?«
»Mein Ururgroßvater ist quasi in Safran geschwommen! Die jetzige Ballengasse war damals eine europäische Handelsstraße. Hamburg – Neapel und zurück, verstehst du. Und immer über die Ballengasse. Seit der Römerzeit war das schon so. Der Handel mit Safran ist da ganz weit vorne gestanden. Safran hat es deshalb bei uns in rauen Mengen geben. Und wo der nicht überall reingekommen ist! In die Rohrnudeln, in den Kaffee, in die Brennsuppe, in die Weißwürst, und eben auch in die Schweinsbratensoße.«
»In die Weißwürst auch? Das wird ja immer besser.«
»Das ist das Geheimnis vom alten Metzger Kallinger seine Weißwürste gewesen. Nie hat man gewusst, warum die so besonders gut sind.
Der du zum Tor der Hölle stehst, gib dein Geheimnis preis,
hat der Pfarrer zu ihm am Sterbebett gesagt, natürlich auf Lateinisch.
Safran!
, hat der alte Kallinger noch geflüstert, dann ist er gestorben.«
Ignaz und Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmer in der fünften Generation (zurzeit allerdings nicht in diesem Gewerbe tätig), lebten im italienischen Exil, sie konnten sich in ihrer Heimat nicht mehr blicken lassen. Sie wurden steckbrieflich gesucht, hier waren sie in Sicherheit, allerdings auch ohne bayrische Kost, ohne bayrische Volksmusik und ohne den kreativitätssteigernden bayrischen Föhn.
»Ich will ja eure Zärtlichkeiten, eure nuptialen, nur ungern stören«, sagte Swoboda. »Aber ich habe nicht allzu viel Zeit. Und ich hätte einige Fragen an euch.«
Er erzählte ihnen von dem neuesten Projekt der Familie, das im Kurort durchgeführt werden sollte. Nachdem ihm die alleinige Projektleitung übertragen worden war, musste er mit absoluter Sicherheit wissen, ob der Imker Alois Schratzenstaller zuverlässig war.
»Ja freilich«, sagte Ursel. »Der Schratzenstaller, das ist genau der geeignete Mann für so was. Er ist ein richtiger Schwarzseher und Miesmacher. Ein
Grantelhuber
eben.«
»Ja, der ist zuverlässig«, mischte sich Ignaz ein. »Der ist so sauer auf die Behörden, auf die Verwaltung und auf alles, was nach Gesetz und Beamtentum riecht, der macht bei einer staatszersetzenden Aktion gerne mit.«
»Eine Art Werdenfelser Rebell?«
»Ja, so was in der Richtung. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Dem Schratzenstaller würde der Mut fehlen, selber etwas Illegales zu drehen, aber er wartet eigentlich schon lange auf die Gelegenheit, es den Bürokraten und Pfennigfuchsern heimzuzahlen.«
»Warum ist er so sauer?«
»Du kennst sein Grundstück – abgelegen und doch ortsnah.«
»So etwas weckt Begehrlichkeiten?«
»Richtig. Sie wollten eine Biathlon-Loipe durch sein Grundstück führen und ihm ein Stückerl von seinem Boden abzwacken. Da ist er zum Wintersportgegner, zum Ökodesperado, zum
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