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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Teilchen – den Alphateilchen – bestehen und daher weniger wie ein Lichtstrahl als vielmehr wie Kugelhagel agieren. Dies erklärt auch Rutherfords Wortwahl – »Bullets!« (»Kugeln !«) – bei seinem Ausruf über das überraschende Ergebnis der Messung. Mit diesem Bild der Strahlung als Teilchenstrom zeigte der Streuversuch, dass es in den Goldatomen etwas geben musste, das mit einem Alphateilchen direkt zusammenprallen und es zurückstoßen konnte. Dieses Etwas konnten nicht die Elektronen sein, sie waren dafür viel zu klein, zu leicht, zu
unstet und viel zu beweglich. Und dieses Etwas konnte auch nicht so gleichmäßig verteilt sein wie der Teig in J. J. Thomsons Rosinenkuchenmodell. Es musste vielmehr eng konzentriert vorliegen, und damit war guter Rat teuer. Ein ganz neues Atommodell schien nötig zu sein.
    Je länger Rutherford über die Messergebnisse nachgrübelte, desto deutlicher trat eine eigentlich offenkundige Alternative zutage, die sogar schon einmal in Physikerkreisen erörtert, letztlich aber doch wieder verworfen worden war. Sie bestand in der Annahme, das Atom habe einen Kern und sehe somit aus wie ein Planetensystem in Miniaturausgabe – die Elektronen würden in diesem Atom so um die zentrale Einheit des Kerns kreisen, wie es die Planeten um die Sonne tun.
    Natürlich wirkte das anschauliche »Saturn-Modell« des Atoms, wie Rutherford es manchmal nannte, auf den ersten Blick – vor allem für Laien – verlockend. Aber der zweite Blick zeigte seine komplette und offenkundig nicht zu behebende Unzulänglichkeit. Sie erklärt sich durch die Grundgesetze der Physik, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt sind und verlangen, dass eine Ladung, die beschleunigt wird, Energie abstrahlt. Ein sich kreisförmig bewegendes Elektron produziert elektromagnetische Strahlung, wie der aus Hamburg stammende Physiker Heinrich Hertz Ende des 19. Jahrhundert zeigen konnte. Um ein Elektron auf einer Umlaufbahn zu halten, muss es beschleunigt werden – sonst fliegt es einfach geradeaus weiter. Dies bedeutet, dass es in einem Atom nach Rutherfords Vorstellung Energie verliert und seine Bahn nicht beibehalten kann. Es wird in das Zentrum der zirkulären Struktur stürzen und dort im Kern auf die positiv geladenen Anteile des Atoms treffen und von ihnen eingefangen werden. Mit anderen Worten: Rutherfords Atom mit seinem Kern konnte überhaupt nicht existieren, und so klar der Ausgang und die Deutung seines Experiments auch schienen, so unklar blieb, wie damit umgegangen werden und wie das Ganze in den Rahmen der Physik passen konnte. Eine Zeitlang wirkte der neuseeländische Physiker ratlos und deprimiert. Doch dann tauchte Niels Bohr in seinem Laboratorium auf, und
dem jungen Mann aus Kopenhagen gelang es, einen wundersamen und gleichsam genialen Ausweg aus der Sackgasse zu finden und dem Atom damit eine erste stabile Form zu geben.

Die irrationale Stabilisierung der Atome
    Der junge Bohr hatte sich in seiner Doktorarbeit mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich Elektronen in Metallen (auf der makroskopischen Ebene) verhalten und dabei den elektrischen Strom bewirken, den wir als Licht oder Wärme nutzen. Nun wollte er verstehen, wie sich die negativen Ladungsträger in atomaren Gebilden (auf der mikroskopischen oder gar submikroskopischen Ebene) zurechtfinden und ihre Position behalten. Dabei galt es, sowohl die Befunde aus Rutherfords Experiment als auch die Gesetze der klassischen Physik zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu seinen Kollegen muss es Bohr geradezu angespornt haben, dass die beiden Formen des Wissens im Widerspruch zueinander standen und unvereinbar schienen. Paradoxien waren doch seine Leidenschaft, und er muss erahnt haben, dass es ihm gelingen würde, das Atom zu verstehen, wenn er einen Weg fände, auf dem sich beide Aspekte verbinden ließen – so wie das Denken selbst nur gelingen kann, wenn sich bei diesem Tun bewusste mit unbewussten Bereichen verbinden.
    Möglicherweise orientierte sich Bohrs Gedankenwelt an dem Problem des fiktiven dänischen Studenten, der nach dem Anfang des Denkens fragt und bei seinem abenteuerlichen Grübeln merkt, dass die Antwort nicht das Denken selbst sein kann, sondern anders lauten muss. Wenn man das Denken erklären will, kann man nicht mit dem Denken anfangen. Und wer Materie erklären will, kann nicht mit Materie anfangen. Wenn Bohr also verstehen will, wie die Dinge zusammengesetzt sind, die sich uns als Elemente zeigen, dann kann er auf

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