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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Experiment durchgeführt worden war, dessen paradoxe Resultate alle bisherigen Vorstellungen über den Aufbau und die Struktur der Atome über den Haufen zu werfen schienen. Dieser Versuch und sein Ergebnis müssen als historischer Glücksfall bewertet werden, beides erwies sich rückblickend als der Schlüssel, mit dem Bohr der Wissenschaft das Tor zum Verstehen der Mikrowelt im Inneren der Dinge öffnete.

Das Atom und sein Kern
    Als sich Bohr noch in Cambridge aufhielt, konnte er in den Zeitschriften lesen, wie der Neuseeländer Ernest Rutherford und sein deutscher Assistent Hans Geiger im Mai 1911 bei der Durchführung
sogenannter Streuexperimente auf eine sensationelle Entdeckung gestoßen waren. Bei solchen Experimenten leitet man geeignete Strahlen auf ein zu untersuchendes Objekt und beobachtet, wie sie abgelenkt und gestreut werden. Dabei besteht die berechtigte Hoffnung, aus den Messungen über die Verteilung der gestreuten Strahlen etwas über die Struktur des anvisierten Gegenstands ableiten und erfahren zu können.
    Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kannte man – unter anderem dank der Untersuchungen von Marie und Pierre Curie – das Phänomen der Radioaktivität, das mit dem Aussenden von radioaktiver Strahlung verbunden war. Ihre als Strahlung gerichtete Energie ermöglichte es Rutherford und Geiger, sich den Atomen zu nähern. Die Physiker konnten insgesamt drei Sorten von radioaktiver Strahlung unterscheiden, die als Alpha-, Beta- und Gammastrahlung bezeichnet wurden. (Wir benutzen die Namen Alpha-, Beta- und Gammastrahlen bis heute, wissen aber inzwischen, dass es sich im ersten Fall um Heliumkerne, im zweiten Fall um Elektronen und im dritten Fall um extrem kurzwellige, hochfrequente elektromagnetische Strahlung handelt. Herausgefunden hat dies ebenfalls Rutherford, als er Professor für Physik in Manchester war.)
    Bei den Experimenten gelang Rutherford und seinen Mitarbeitern eine phantastische Entdeckung. Sie stellten fest, dass sich die Atome umwandelten, wenn sie in radioaktiven Elementen Alpha-oder Betastrahlen abgaben; aus dem Element Thorium, einem Mineral, wurde zum Beispiel das Edelgas Argon. Die Wissenschaftler kamen aus dem Staunen über ihre Entdeckungen nicht heraus. Atome schienen einen »Hang zum Selbstmord« zu haben, wie Rutherford skeptisch und witzig zugleich meinte, ehe er sich daran erinnerte, dass er mit dem neuen Phänomen das beobachten konnte, wovon die Alchemisten früher geträumt hatten – die Umwandlung eines Elements in ein anderes. Das heißt, die Alchemisten des Mittelalters und der frühen Neuzeit hatten stets gehofft, Blei in Gold »transmutieren« zu können, wobei sie eher meinten, in dem Wertlosen (Blei) etwas Wertvolles (Gold) zu finden. Dies vermochte nun selbst jemand wie Rutherford nicht, aber mit dem Umwandeln von
Thorium zu Argon war ihm ein erster Schritt gelungen. 1937 veröffentlichte er denn auch ein Buch mit dem Titel The Newer Alchemy, das allerdings von Physik handelt und von Gold nur spricht, wenn das Element gemeint ist, an dem Strahlen gestreut werden.
    Rutherford ließ unter anderem eine Goldfolie anfertigen, die so dünn war, dass man annehmen konnte, die Alphastrahlen würden sie rasch durchqueren und auf diesem Weg nur mit wenigen Goldatomen in Kontakt kommen und von ihnen abgelenkt werden. Es galt, die Verteilung der Strahlen hinter der Folie zu messen, um daraus Rückschlüsse auf die Struktur der Goldatome zu ziehen; viele Physiker glaubten an das Grundschema, das J. J. Thomson vorgelegt hatte und das nun verfeinert werden musste. Da Atome neutral waren, aber zugleich über die von Thomson entdeckten Elektronen verfügten, hatte jener sich vorgestellt, dass sie wie Rosinen in einem Teig schwammen, der sich als positiv geladener Brei um sie legte. Dieses Modell des Rosinenkuchens oder eines Plumpuddings, wie es ihn in England zu Weihnachten gibt, wollten Rutherford und Geiger testen, als ihnen etwas Unerhörtes auffiel: Wie die Messungen ohne jeden Zweifel zeigten, waren die meisten Alphastrahlen zwar durch die Folien gegangen und gestreut worden; einige von ihnen waren aber zurückgeprallt und zur Strahlenquelle gelenkt worden – als ob man mit einem Gewehr Kugeln auf Zeitungspapier schießt und einige der Geschosse zurückkehren und den Schützen treffen.
    Es war zwar aus alter Gewohnheit immer noch von Alphastrahlen die Rede, aber Rutherford und seine Kollegen wussten bei ihren Experimenten längst, dass diese Strahlen aus kleinen

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