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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Louis Pasteurs Stil in der Chemie oder an Otto Warburgs Stil in der Biochemie zu denken. Wer sich dazu entschließt, muss allerdings einem Gedanken Platz einräumen, der in der Wissenschaft sicher
zunächst befremdlich wirkt und eher verschreckt. Aber wenn man ernst nimmt, was Heisenberg sagt, wenn also Wissenschaft und Kunst so eng zusammengehören, dann bestätigt dies, dass etwa die Beschreibung eines Atoms nicht nur eine Entdeckung, sondern ebenso sehr eine schöpferische Tat ist. Kreativität kennzeichnet nicht nur Dichter und Maler, sondern auch Physiker, und es gibt kein besseres Beispiel dafür als Heisenberg selbst.
    Unter den kreativen Physikern waren Bohr und er die größten Künstler. Die moderne Theorie der Atome, zu der beide beigetragen haben, kann nur als kreative Hervorbringung verstanden werden, die im dramatischen schöpferischen Akt gelungen ist. Die fertige Theorie liegt natürlich als Abstraktion vor, aber es ist eine Abstraktion, die sich einer Einfühlung und einer inneren Verbindung zu den Dingen verdankt. Man muss sich in manche Dinge hineinträumen können, um sie zu verstehen. Bohr ist dies bei den Atomen gelungen.
    Der »dramatische schöpferische Akt« wird auch deutlich, wenn man Heisenbergs Ausführungen über Bohrs Vortragen weiterverfolgt (das Zitat oben wurde vom Autor an entscheidender Stelle abgebrochen): »Es war ganz unmittelbar zu spüren, dass Bohr seine Resultate nicht durch Berechnungen und Beweise, sondern durch Einfühlen und Erraten gewonnen hatte und dass es ihm jetzt schwerfiel, sie vor der hohen Schule der Mathematik in Göttingen zu verteidigen. Nach jeder Vorlesung wurde diskutiert, und am Ende der dritten Vorlesung wagte ich eine kritische Bemerkung.«
    Diese Wortmeldung wird das Leben sowohl von Bohr als auch von Heisenberg ändern, weil sich hier in einem Augenblick zwei Menschen begegnen, die sofort spüren, dass sie zueinandergehören, in einem Ziel vereint: den Aufbau der Atome zu verstehen. Und während der Ältere jederzeit bereit war, etwa Neues zu lernen, wenn dabei das Verstehen vorankam, konnte der Jüngere ohne Umschweife reden, wenn seine Wissenschaft verhandelt wurde. Als Heisenberg 1922 in Göttingen das Wort ergriff, widersprach er dem Meister klar und deutlich – er wies Bohr vor der versammelten Gilde
der Wissenschaftler auf einen Fehler hin. Das Auditorium kann nur gestaunt haben, während der Angesprochene selbst vermutlich eher hoffte, endlich lernen zu können, wie etwas richtig gemacht werden konnte, mit dem er selbst nicht so recht weiterkam.
    Worum ging es bei Heisenbergs Einwand? Bohr hatte über die Aufspaltung der Spektrallinien gesprochen, die beobachtet wird, wenn man Atome nicht magnetischen, sondern elektrischen Feldern aussetzt. In der Physik spricht man vom Stark-Effekt, und an Bohrs Institut hatte man die dazugehörigen Messwerte unter der anschaulichen Annahme zu erklären und berechnen versucht, dass ein Atom genau das sei, was Bohr sich darunter vorgestellt hatte, ein Planetensystem im Kleinen. In seiner Autobiographie lässt Heisenberg Niels Bohr die Herleitung dieser Vorstellung ausführlicher erzählen:
    »Der Ausgangspunkt war ... nicht der Gedanke, dass das Atom ein Planetensystem im Kleinen sei und dass man hier die Gesetze der Astronomie anwenden könnte ... Für mich war der Ausgangspunkt die Stabilität der Materie, die ja vom Standpunkt der bisherigen Physik aus ein reines Wunder war. Ich meine mit dem Wort Stabilität, dass immer wieder die gleichen Stoffe mit den gleichen Eigenschaften auftreten, dass die gleichen Kristalle gebildet werden, die gleichen chemischen Verbindungen entstehen usw. Das muss doch bedeuten, dass auch nach vielen Veränderungen, die durch äußere Wirkungen zustande kommen mögen, ein Eisenatom schließlich wieder ein Eisenatom mit genau den gleichen Eigenschaften ist. Das ist nach der klassischen Mechanik unbegreiflich, besonders dann, wenn ein Atom Ähnlichkeit mit einem Planetensystem hat.«
    Den Gedanken des Planetensystems im Kleinen hielt Heisenberg aber seit Beginn seines Studiums für hinderlich, und bei der von Sommerfeld vorgeschlagenen Analyse der entsprechenden Untersuchungen waren ihm weitere Bedenken gekommen und einige Fehler aufgefallen, die er mit seinem Lehrer besprochen hatte. Was Bohr eben gesagt habe, so wagte Heisenberg nun in Göttingen einzuwenden, führe in die Irre und könne ziemlich leicht widerlegt werden; außerdem seien die dazugehörigen Rechnungen von Bohrs

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