Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Assistenten unzureichend.
Bild 4
Die »Bohr-Festspiele« 1922 in Göttingen: Bohr (2. von links) mit Carl Wilhelm Oseen, James Franck, Oskar Klein und dem sitzenden Max Born
Die »Bohr-Festspiele« hatten ihren Höhepunkt, und die Hauptfigur wankte. Bohr wurde unsicher, er geriet ins Stocken, begann zu murmeln und zeigte sich durch den Vorschlag beunruhigt, dessen Tragweite ihm sicher sofort klar war. Vermutlich wusste Bohr besser als alle anderen, wie wenig festen Grund seine »erfühlten« Einsichten über die Atome hatten, und es darf spekuliert werden, dass er mit mehr Sehnsucht als alle anderen auf jemanden wartete, der ihm in dieser Lage weiterhalf und von dem er lernen konnte.
Vielleicht nahm Bohr in dem Moment, als Heisenberg seinen Finger auf die tiefste theoretische Wunde in der gesamten Konstruktion der Atome legte, unmittelbar wahr, dass mit diesem jungen Mann die Tage der alten Quantentheorie zu Ende gehen könnten. Auf jeden Fall lud er Heisenberg am Ende der Veranstaltung zu einem Spaziergang ein, von dem der Student später sagen sollte, »dieser Spaziergang hat auf meine spätere wissenschaftliche Entwicklung den stärksten Einfluss ausgeübt, oder man kann vielleicht besser sagen, dass meine eigentliche wissenschaftliche Entwicklung erst mit diesem Spaziergang begonnen hat«. Diese Entwicklung sollte ihn bald nach Kopenhagen führen.
KAPITEL 3
Ein Haus für die Wissenschaft
Den wunderbaren Zeiten, die die Physiker in den 1920er und frühen 1930er Jahren in Bohrs Institut – einem bescheiden eingerichteten, aber innerlich glänzenden Elfenbeinturm – in Kopenhagen verbringen durften, sind einige Jahre voller Zweifel vorausgegangen. Nachdem Bohr mit seiner Trilogie das Atomzeitalter in wissenschaftlicher Hinsicht eingeläutet hatte, ernannte ihn die Universität seiner Heimatstadt zwar zum Dozenten für Physik, konnte ihn aber zunächst nicht lange halten. Es lockten Manchester und Rutherford mit ihren Möglichkeiten und Angeboten, und Bohr verbrachte die Jahre 1914 bis 1916 als Dozent an der Universität in der englischen Industriestadt. In dieser Zeit entstanden viele theoretische Arbeiten, etwa über »Die Auswirkung elektrischer und magnetischer Felder auf die Spektrallinien« oder, wie bereits erwähnt, über »Die Anwendung der Quantentheorie auf periodische Systeme«. Rutherford fand dabei immer mehr Gefallen an dem menschlich so freundlichen und zugleich sachlich so unnachgiebigen Bohr, und er bot ihm schließlich sogar an, sich in Manchester endgültig niederzulassen und dort eine Professur anzunehmen.
Doch für Bohr war es ausgeschlossen, seine wissenschaftlichen Kreise von einem anderen Mittelpunkt als von Kopenhagen aus zu ziehen. Und so kehrte er 1916 nach Dänemark zurück, wo seine Alma Mater ihn nicht nur offiziell berief und zum Professor für Physik ernannte, sondern eigens für ihn den ersten Lehrstuhl für Theoretische Physik einrichtete, den er voller Stolz und mit riesigem Arbeitseifer übernahm. Als ersten Assistenten engagierte er den Niederländer Hendrik Kramers, der in Leiden bei Paul Ehrenfest studiert und promoviert hatte und bis 1924 in Kopenhagen blieb.
Das Korrespondenzprinzip
In seinen ersten Monaten als Lehrstuhlinhaber in Kopenhagen bemühte Bohr sich vor allem um ein besseres Verständnis der Atome beziehungsweise seines Aufbauprinzips der chemischen Elemente. Zu diesem Zweck ersann er das sogenannte Korrespondenzprinzip, mit dem er zwar selbst offenbar artistisch jonglieren konnte, das viele voller Bewunderung zitierten, aber lieber nicht verfolgten.
Bohrs Prinzip verlangte, dass es eine Korrespondenz zwischen der neuen Physik mit Quanten und der alten Physik ohne Plancks Hilfsgröße geben müsse, was bedeutet, dass die Vorhersagen der Quantentheorie mit den Vorhersagen der klassischen Physik in den Bereichen übereinzustimmen haben, in denen Plancks Konstante durch ihre Winzigkeit an Bedeutung verliert oder die Quantenzahlen so groß werden, dass sich die Quantensprünge eher unmerklich vollziehen. Zwar feierte Bohr selbst seine Idee gern als »rationale theoretische Basis« für die Anordnung der Elektronenbahnen in Atomen, um seiner Zahlenspielerei den mystischen Beigeschmack zu nehmen, der ihr anzuhaften schien. Aber das Korrespondenzprinzip ruhte weniger auf einem physikalischen als vielmehr auf einem philosophischen Fundament. Bohr versuchte mit Vorsicht zu beschreiben, wie es bei den Atomen zum Tragen kommt: »Unter den Vorgängen, die
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