Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
denkbar sind und die gemäß der Quantentheorie in einem Atom ablaufen können, werden wir solche zurückweisen, deren Auftreten wir nicht als konsistent mit einer Korrespondenz der erforderlichen Natur ansehen können.«
Was Bohr vermutlich sagen und durch einen philosophischen Ausdruck absegnen lassen wollte, hängt mit der unklaren und zwiespältigen Lage seiner Wissenschaft zusammen. Er bewunderte zwar die mathematischen Ansätze, etwa von Sommerfeld, traute ihnen aber nicht zu, mit komplexer werdenden Atomen fertigzuwerden. Hierzu sah er nur das selbst praktizierte, intuitive Vorgehen in der Lage, dem er eine Richtschnur geben wollte, um es anwendungsfähig für andere zu machen – eben als Korrespondenzprinzip. Er
setzte es zum Beispiel virtuos in Szene bei den Beschreibungen der Übergänge zwischen zwei stationären Zuständen, die dem Atom seine Form geben. Was Bohr und seine Kollegen interessierte, ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Übergangs. Mit dem Korrespondenzprinzip konnte Bohr sie elegant an die harmonischen Schwingungen der klassischen Form seiner Wissenschaft anknüpfen und die dabei auftretenden Amplituden berechnen, wie sie in Atomen nach den Vorstellungen der alten Theorie einer Physik ohne Quanten auftreten müssen.
Einstein hat das Korrespondenzprinzip in seinen frühen Anwendungen und Einsätzen sehr gelobt und seinen Begründer und Verfechter deswegen bewundert. Aber die weiteren Entwicklungen der Physik, die weg von der bald alten Quantentheorie, die wir Bohr verdanken, hin zu der neuen Quantenmechanik führten, die zwischen 1925 und 1928 vor allem von der jüngeren Generation mit Heisenberg als Vorreiter entworfen wird, lassen die Erinnerungen an das Bohr’sche Hilfsmittel in den kommenden Jahren eher verblassen – vor allem auch weil der dahinter stehende philosophische Gedanke der Zusammenführung von zunächst nicht Zusammengehörendem in einem umfassenden Kontext seit der Mitte der 1920er Jahre von Bohr neu und umfassender bedacht und dann auch ganz anders benannt wurde.
Das Haus, das Bohr baute
In den zehn Jahren, die zwischen dem 1912 erfolgten Beginn von Bohrs Arbeit an der Trilogie über den Aufbau der Atome und der Entgegennahme des Nobelpreises für Physik 1922 in Stockholm liegen, trieb Bohr nicht nur seine Wissenschaft voran und machte Karriere als Hochschullehrer in Kopenhagen. Er schenkte darüber hinaus in einer ihn bis an den Rand der Erschöpfung bringenden Anstrengung seiner Wissenschaft etwas Wunderbares und Besonderes: das seit 1917 als Institut für Theoretische Physik geplante Gebäude, das heute als Niels-Bohr-Institut nach wie vor unter der
Adresse Blegdamsvej 17 in Kopenhagen firmiert. Am 3. März 1921 hielt Niels Bohr die Ansprache zur offiziellen Einweihung des Hauses, und in seiner Rede gab er den Grund für seinen Stolz an: Die Theoretische Physik stellte dank ihrer Erfolge in der Atomforschung eine neuartige, eigenständige Disziplin dar, die sich der traditionellen Experimentalphysik gleichberechtigt an die Seite stellen konnte.
Mit den Planungen seines Instituts hatte Bohr begonnen, kurz nachdem er – mitten im Ersten Weltkrieg – mit seiner Frau Margrethe von Manchester nach Kopenhagen zurückgekehrt und sein erster Sohn, Christian, geboren war. Bereits 1917 richtete er eine erste Anfrage an die Universitätsleitung, und als wieder Friede in Europa herrschte, stimmte die Verwaltung dem Vorhaben zu. Es spielte sicher eine Rolle, dass Bohr angekündigt hatte, auch von privater Seite »große Summen« eintreiben zu können. Es ging dabei um 10 000 US-Dollar, die einer seiner früheren Klassenkameraden, inzwischen ein führender dänischer Industrieller und zu Wohlstand gelangt, beisteuern wollte.
Tatsächlich reichten die Mittel, die unter anderem mit großzügiger Hilfe der Carlsberg-Stiftung aufgestockt werden konnten, für den Bau eines schlichten Hauses im neoklassischen Stil aus. Von außen lassen sich vier Stockwerke – ein Dachgeschoss eingerechnet – erkennen, von denen das erste teilweise in den Boden eingelassen ist. Wer in das Universitets Institut for Teoretisk Fysik eintritt, findet sich in einem großen Flur wieder, der nach rechts zu dem Hörsaal führt, in dem ab 1929 die legendären Frühjahrssitzungen stattgefunden haben.
In Bohrs Haus gab es natürlich eine Bibliothek, einige kleine Büros und eine Art Gemeinschaftsraum, in dem immer Kaffee und Knabbereien bereitstanden. Im ersten Stock gab es eine Wohnung für die
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