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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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sein, hatte sie doch mit dem Spin verstanden, warum chemische Bindungen stabil sind. Sie hatte die Bildung eines Moleküls erklärt, ohne es vorauszusetzen.
    So funktionierte damals die Physik: Abwegige Ideen konnten plötzlich längst bekannte Tatbestände verständlich machen, was
wiederum den Gedanken bekräftigte, dass an den zunächst unzumutbar scheinenden Ideen etwas dran sein musste und es sich lohnte, über sie nachzudenken. Zum Glück tauchte in dem ganzen Tumult und Durcheinander immer wieder ein systematischer Halt oder ein nachweisbarer Fortschritt auf, an dem man sich orientieren und neuen Mut schöpfen konnte. So wurde Bohrs Aufbauprinzip des Periodensystems mit der neuen Quantenzahl namens Spin viel durchsichtiger. (Bald stellte sich jedoch heraus, dass Paulis Zweiwertigkeit selbst auch wieder zweiwertig war. Neben den physikalischen Gebilden mit halbzählendem Spin gibt es reale Mitwirkende am atomaren Geschehen, deren Spin durch ganze Zahlen auszudrücken ist, zum Beispiel der Spin des Photons durch die Eins.)
    Bohr und Pauli hatten sich 1922 in Göttingen – bei den »Bohr-Festspielen« – kennengelernt, und der Ältere war von dem Jüngeren sehr beeindruckt. Schon kurz darauf kam der aus Wien stammende und in seinen Studententagen als Wunderkind angesehene Pauli, der als Neunzehnjähriger einen buchlangen Beitrag über die damals selbst von gestandenen Professoren kaum verstandene allgemeine Form der Relativitätstheorie von Einstein geschrieben hatte, nach Kopenhagen zu Besuch. Pauli agierte anderen Physikern gegenüber als Zyniker, der gnadenlos ihre Schwächen aufdeckte und so den Spitznamen »Geißel Gottes« bekam. Lediglich seinen Lehrer Arnold Sommerfeld verehrte er ohne Einschränkungen. Bald weitete Pauli aber seine Bewunderung auch auf Bohr aus, was darin zum Ausdruck kam, dass er Bohr über sechzig Briefe schrieb. Pauli erkannte in Bohrs Denken die einzige Grundhaltung, die er unmittelbar akzeptierte, die mit festem Mut und großer Entschlossenheit vertretene »intellectual honesty«.
    Bohr wiederum liebte Paulis kritischen Geist, und wenn der Ältere dem Jüngeren auch vorwarf, seine Texte zu lesen wie der Teufel die Bibel, so ermutigte Bohr Pauli doch, seine Idee des Spins energisch weiterzuverfolgen. Dies führte 1925 zu der Formulierung des sogenannten Pauli-Prinzips, für das sein Urheber zwanzig Jahre später mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Paulis Idee wird manchmal auch als das Prinzip der Ausschließung bezeichnet,
weil es in einfacher Form ausdrückt, dass es in einem Verbund mit atomaren Ausmaßen ausgeschlossen ist, dass zwei Elektronen in all ihren vier Quantenzahlen übereinstimmen. Sie müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden, und wenn auch unklar bleibt, wie die Natur es tatsächlich bewerkstelligt, Elektronen als Individuen zu handhaben, so erlaubte Paulis Prinzip plötzlich in aller Klarheit, die Stabilität der Materie zu verstehen. Die Elektronen können in einem Atom nicht alle in den Kern sacken und dort an einem Ort bleiben. Sie müssen solche Bahnen besetzen, die ihre Quantenzahlen verschieden machen. Aus diesem Grund kann Bohrs Aufbauprinzip ein Element nach dem anderen errichten und die materielle Grundlage unserer Wirklichkeit verstehen.

Werner Heisenberg
    Der Besucher, der jedoch entscheidend für das Fortkommen der Physik und das Auftauchen der abstrakten Quantenmechanik ist, kam 1923 nach Kopenhagen: Werner Heisenberg. Dem jungen Mann wird es zwei Jahre später gelingen, seiner Wissenschaft die neue, bis heute gültige mathematische Form zu geben. Heisenberg kam im Anschluss an diesen Erfolg immer wieder nach Kopenhagen zurück, und in den bis zur gegenseitigen Erschöpfung vorangetriebenen Gesprächen rangen Bohr und er um ein philosophisches Verständnis der Atomphysik. Sie erreichten dabei das, was heute als Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik bezeichnet wird und durch Stichworte wie Unbestimmtheit und Komplementarität charakterisiert werden kann.
    Wenn das Zusammenspiel von Bohr und Heisenberg allein diese grandiose Deutung erbracht und sich nur im wissenschaftsphilosophischen Rahmen abgespielt hätte, könnte hier von einer großen und tiefen Freundschaft mit historischer Bedeutung die Rede sein. 1928 schrieb Bohr zum Beispiel, dass er sich zuvor noch nie derart mit einem anderen Menschen in aufrichtiger Harmonie (»in sincere harmony«) gefühlt habe wie mit Heisenberg. Die
späteren politischen

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