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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Reisegefährten anschloß
     und ihnen zurief, daß die grauen Ratten überwunden seien. Dann flogen sie alle geraden Weges nach dem Kullaberge.
    Dort ließen sie sich auf dem obersten Teil der Bergkuppe nieder, die den wilden Gänsen vorbehalten war, und als nun der Junge
     den Blick von einer Kuppe zur andern wandern ließ, sah er, daß sich über der einen das vielzackige Gehörn des Kronhirsches
     erhob, und über einer der andern die grauweißen Nackenfedern des Reihers. Eine Bergkuppe war rot von Füchsen, eine war schwarz
     und weiß von Strandvögeln, eine war grau von Ratten. Eine war mit schwarzen Raben bedeckt, die unaufhörlich schrien, eine
     mit Lerchen, die nicht imstande waren, sich still zu verhalten, sondern sich unablässig in die Luft emporschwangen und vor
     Freude sangen.
    Wie es stets auf dem Kullaberge herzugehen pflegt, eröffneten die Krähen die Spiele und die Kurzweil desTages mit ihrem Flugtanz. Sie teilten sich in zwei Scharen, die gegeneinander flogen, sich begegneten, umkehrten und wieder
     von vorne anfingen. Dieser Tanz hatte viele Touren und erschien den Zuschauern, die nicht in die Regeln des Tanzes eingeweiht
     waren, zu einförmig. Die Krähen waren sehr stolz auf ihren Tanz, und alle andern waren froh, als er beendet war. Die Tiere
     fanden ihn ebenso trübselig und sinnlos wie das Spiel der Winterstürme mit den Schneeflocken. Sie wurden schlechter Laune
     von dem Ansehen und warteten gespannt auf etwas, das sie ein wenig belustigen konnte.
    Sie sollten auch nicht vergebens warten, denn sobald die Krähen ihren Tanz beendet hatten, kamen die Hasen gelaufen. Ohne
     sonderliche Ordnung wimmelten sie in einer langen Reihe hervor. In einigen Reihen ging nur einer, in andern liefen drei oder
     vier nebeneinander. Alle hatten sie sich auf zwei Beine erhoben und kamen in einer solchen Fahrt dahergesaust, daß die langen
     Ohren nach allen Seiten flogen. Während sie liefen, drehten sie sich rund herum, machten hohe Sprünge und schlugen die Vorderpfoten
     gegen die Rippen, so daß es klatschte. Einige schossen eine lange Reihe Purzelbäume, andere duckten sich zusammen und rollten
     wie Räder auf der Erde dahin, einer stand auf einem Bein und drehte sich rund herum, einer ging auf den Vorderpfoten. Da war
     gar keine Ordnung, aber es lag gute Laune über dem Spiel der Hasen, und die vielen Tiere, die dastanden und ihnen zusahen,
     fingen an, schneller zu atmen. Jetztwar Frühling, Lust und Freude waren in Anmarsch. Der Winter war zu Ende. Der Sommer nahte. Bald war das Leben nur noch ein
     Spiel.
    Als die Hasen sich ausgetollt hatten, kam die Reihe aufzutreten an die großen Waldvögel, hunderte von Auerhähnen in glänzend
     schwarzem Federkleid und mit schimmernd roten Augenbrauen schwangen sich in eine große Eiche hinauf, die mitten auf dem Spielplatz
     stand. Derjenige, der auf dem obersten Zweige sah, blies die Federn auf, senkte die Flügel und schlug den Schweif auseinander,
     so daß die weißen Deckfedern sichtbar wurden. Dann streckte er den Hals vor und entsandte ein paar tiefe Halstöne aus seiner
     schwellenden Kehle. »Tjäk, tjäk, tjäk,« klang es. Mehr konnte er nicht hervorbringen, es gluckste nur ein paarmal tief unten
     in der Kehle. Dann schloß er die Augen und flüsterte: »Sis, sis, sis. Hört, wie schön es ist! Sis, sis, sis.« Und im selben
     Augenblick verfiel er in eine solche Verzückung, daß er nicht mehr wußte, was um ihn her vor sich ging.
    Während der erste Auerhahn noch »Sis, sis, sis« flüsterte, begannen die drei, die zunächst unter ihm saßen, zu singen, und
     ehe sie das Lied beendet hatten, begannen die zehn, die unter ihnen saßen, und so weiter von Zweig zu Zweig, bis alle die
     Hunderte von Auerhähnen sangen und glucksten und zischelten. Sie gerieten alle in dieselbe Verzückung während ihres Gesanges,
     und gerade dies wirkte auf die andern Tiere wie ein ansteckender Rausch. Noch vor kurzem floß das Blut lustig und leicht,
     jetzt fing es an, schwer und heißzu strömen. »Ja, wahrlich ist es Frühling,« dachten die vielen Tiervölker. »Die Kälte des Winters ist entschwunden. Das Feuer
     des Lenzes brennt über der Erde.«
    Als die Birkhähne merkten, daß die Auerhähne einen solchen Erfolg hatten, konnten sie sich nicht langer ruhig verhalten. Da
     dort kein Baum war, auf den sie sich setzen konnten, sausten sie auf den Spielplatz hinab, wo das Heidekraut so hoch stand,
     daß man nichts weiter sehen konnte als ihre schönen,

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