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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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darüber
     nach, wie lange er von Hause fort gewesen war, und er rechnete aus, daß drei Wochen verflossen waren, seit die Reise begann.
     Gleichzeitigfiel ihm ein, daß heute der Abend vor Ostern war.
    »Über Nacht kommen also die Hexen von Blaakulla heim,« dachte er und lachte im stillen. Denn vor Kobolden und Nixen war er
     ein wenig bange, aber an Hexen und Zauberer glaubte er gar nicht.
    Wären an jenem Abend Hexen in der Luft gewesen, hätte er sie sicher sehen müssen. Der Himmel war so hell und klar, daß auch
     nicht der kleinste schwarze Punkt sich in der Luft bewegen konnte, ohne daß er ihn entdeckte.
    Während er so dalag, die Nase in die Luft, und über das alles nachdachte, gewahrte er etwas Hübsches. Die Mondscheibe stand
     ganz und rund hoch oben, und davor kam ein großer Vogel geflogen. Er flog nicht an dem Mond vorbei, aber es sah so aus, als
     ob er aus ihm herausgeflogen käme. Gegen den hellen Himmel nahm sich der Vogel kohlschwarz aus, und die Flügel reichten von
     dem einen Rande der Mondscheibe bis zu der andern. Er hielt die Richtung so genau inne, daß es für den Jungen so aussah, als
     sei er auf die Mondscheibe gezeichnet. Der Körper war klein, der Hals lang und dünn, und ein Paar lange, dünne Beine hatte
     er nach hinten ausgestreckt. Der Junge sah sofort, daß es ein Storch sein müsse.
    Einen Augenblick später ließ sich Herr Langbein, der Storch, neben ihm nieder. Er beugte sich über den Jungen und stieß ihn
     mit dem Schnabel, um ihn wach zu bekommen.
    Der Junge richtete sich sofort auf. »Ich schlafe nicht,Herr Langbein,« sagte er. »Wie kommt es, daß Sie mitten in der Nacht ausgeflogen sind? Und wie sieht es auf Glimminghaus
     aus? Wollen Sie mit Mutter Akka sprechen?«
    »Es ist zu hell, um über Nacht zu schlafen,« antwortete Herr Langbein, »Deswegen beschloß ich, hierher nach der Karlsinsel
     hinüber zu reisen und dich, mein Freund Däumling, aufzusuchen. Von einer Fischmöwe erfuhr ich, daß du über Nacht hier seiest.
     Ich bin noch nicht nach Glimminghaus gezogen; ich wohne noch in Pommern.«
    Der Junge freute sich ungeheuer, daß Herr Langbein gekommen war, um ihn zu sehen. Sie redeten über alles mögliche miteinander
     wie alte Freunde. Schließlich fragte der Storch, ob der Junge nicht Lust habe, einen kleinen Ritt in dem schönen Mondschein
     zu machen.
    Ja, das wollte der Junge für sein Leben gern, wenn der Storch nur dafür sorgen wollte, daß er vor Sonnenaufgang zu den wilden
     Gänsen zurückkam. Das versprach der Storch, und dann ging es von dannen.
    Herr Langbein flog wieder gerade nach dem Mond hinauf. Sie stiegen und stiegen, das Meer sank tief hinab, aber der Flug ging
     so wunderbar leicht, es war fast, als lägen sie still in der Luft.
    Der Junge fand, die Reise habe eine unnatürlich kurze Zeit gewährt, als sie sich wieder zu der Erde hinabsenkten.
    Sie landeten an einem einsamen Strande, der mit feinem, weißem Sand bedeckt war. An der Küste entlanglief eine Reihe von Flugsanddünen mit Riedgras auf dem Gipfel. Sonderlich hoch waren sie nicht, aber sie hinderten doch den
     Jungen, das Land zu übersehen.
    Herr Langbein stellte sich auf eine Sandbank, zog das eine Bein unter sich in die Höhe und bog den Hals zurück, um den Kopf
     unter den Schnabel zu stecken. »Jetzt kannst du hier am Strande ein wenig umherspazieren,« sagte er zu Däumling, »während
     ich mich ausruhe. Gehe aber nicht weiter weg, als daß du dich zu mir zurückfinden kannst.«
    Der Junge wollte nun erst auf eine der Dünen hinaufklettern, um zu sehen, wie es dahinter aussah. Als er aber ein paar Schritte
     gegangen war, hörte er etwas gegen seinen Holzschuh klirren. Er beugte sich hinab und sah, daß im Sande eine kleine Kupfermünze
     lag, die so von Grünspan verzehrt war, daß sie fast durchsichtig erschien. Sie war so klein und schlecht, daß er nicht einmal
     Lust hatte, sie aufzunehmen, sondern sie mit dem Fuße wegstieß.
    Als er sich aber wieder aufrichtete, erschrak er, denn kaum zwei Schritt von ihm ragte eine hohe Mauer mit einem Torweg mit
     Türmen darüber auf.
    Eben noch, als sich der Junge niederbeugte, hatte das Meer dortgelegen, blank und glitzernd, und jetzt war es durch eine lange
     Mauer mit Zinnen und Türmen seinen Blicken entzogen. Und gerade vor ihm, wo eben noch ein Haufen Tang gelegen, gähnte nun
     das große Tor.
    Der Junge begriff, daß dies eine Art Spuk seinmüsse. Aber davor brauchte er ja nicht bange zu werden, fand er. Da waren

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