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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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schüttelte den Schlaf ab, »wenn nur die Kinder
     erst erwachsen sind!«
    Als aber diese Kinder erwachsen waren, reisten sie zu den Eltern hinüber in das fremde Land. Keines kehrte zurück, keines
     blieb in der Heimat. Die alte Frau war schließlich ganz allein auf dem Gehöft.
    Sie bat sie auch gar nicht, bei ihr zu bleiben. »Du findest doch nicht, Rödlinna, daß ich sie bitten sollte, hier bei mir
     zu bleiben, wenn sie in die Welt hinausreisen und es gut haben können?« sagte sie oft, wenn sie im Stall bei der alten Kuh
     stand. »Hier in Smaaland harrt ihrer ja nichts als Armut.«
    Aber als das letzte Enkelkind gereist war, konnte die alte Frau nicht mehr. Mit einemmal wurde sie grauhaarig und gebeugt,
     ihr Gang wurde wackelnd, es sah so aus, als habe sie keine Kraft mehr, sich zu rühren. Und sie hielt auf zu arbeiten. Sie
     mochte sich nicht mehr um das Gehöft bekümmern, sondern ließ alles verfallen. Sie setzte die Gebäude nicht mehr instand und
     sie verkaufte sowohl Kühe als auch Ochsen. Nur die alte Kuh, mit der Däumling jetzt sprach, behielt sie. Die ließ sie leben,
     weil alle Kinder mit ihr draußen auf dem Felde gewesen waren.
    Sie hätte ja Mägde und Knechte in ihren Dienst nehmen können, um sich bei der Arbeit helfen zu lassen, aber sie konnte es
     nicht ertragen, Fremde um sich zu sehen, jetzt, wo ihre Angehörigen sie verlassen hatten. Und vielleicht sah sie es auch am
     liebsten, daß das Gehöft verfiel, wenn keins von den Kindern kam, um eszu übernehmen. Sie machte sich nichts daraus, daß sie selber arm wurde, weil sie nicht für das sorgte, was ihr gehörte. Aber
     sie fürchtete, daß zu den Kindern Kunde davon dringen könne, wie schlecht es ihr erging. »Wenn nur die Kinder es nicht erfahren!
     Wenn nur die Kinder es nicht erfahren!« seufzte sie, wenn sie im Stall umherschwankte.
    Die Kinder schrieben ihr beständig und baten sie, zu ihnen hinüberzukommen, aber sie wollte nicht. Sie wollte das Land nicht
     sehen, das ihr die Kinder genommen hatte. Sie war böse darauf. »Es ist sicher dumm von mir, daß ich das Land nicht leiden
     kann, das so gut gegen sie gewesen ist,« sagte sie. »Aber ich will es nicht sehen!«
    Sie dachte nie an etwas anderes als an die Kinder, und daß sie weggereist waren. Wenn es Sommer wurde, zog sie die Kuh heraus,
     so daß sie auf dem großen Moor weiden konnte. Sie selbst saß den ganzen Tag am Moor, die Hände im Schoß, und wenn sie nach
     Hause ging, sagte sie: »Sieh, Rödlinna, wären hier große, fette Äcker gewesen statt dieser unfruchtbaren Moore, so hätten
     sie nicht fortzureisen brauchen.«
    Sie konnte sich förmlich wütend sehen an dem Moor, das sich so groß und weit ausbreitete und keinen Nutzen schaffte. Und sie
     konnte dasitzen und davon reden, daß das Moor schuld daran sei, daß die Kinder von ihr gegangen waren.
    An diesem letzten Abend war sie elender und zitteriger gewesen denn je zuvor. Sie hatte nicht einmal das Melken mehr besorgen
     können. Sie hattedagestanden und sich auf den Stand gestützt und erzählt, es seien zwei Bauern bei ihr gewesen, die hätten gefragt, ob sie
     das Moor nicht verkaufen wolle. »Denk' dir, Nödlinna,« sagte sie, »denk' dir, sie sagten, auf dem Moor könne Roggen wachsen!
     Nun schreibe ich an die Kinder, daß sie nach Hause kommen sollen. Nun brauchen sie nicht mehr fort zu bleiben, nun können
     sie Brot hier in der Heimat bekommen!«
    Das war der Brief, den sie hatte schreiben wollen, als sie in die Stube gegangen war.
    *
    Der Junge hörte nichts mehr davon, was die alte Kuh erzählte. Er machte die Stalltür auf und ging in die Stube hinein zu der
     Toten, vor der er noch vor kurzem so bange gewesen war.
    Erst stand er einen Augenblick still und sah sich um.
    Die Stube sah nicht so ärmlich aus, wie er es sich gedacht hatte. Sie war reichlich versehen mit solchen Gegenständen, wie
     man sie bei Leuten anzutreffen pflegt, die Verwandte in Amerika haben. In einer Ecke stand ein amerikanischer Schaukelstuhl,
     auf dem Tisch am Fenster lag eine bunte Plüschtischdecke, über das Bett war eine hübsche Decke gebreitet, an den Wänden hingen
     die Photographien der abwesenden Kinder und Kindeskinder in zierlichen, geschnitzten Rahmen, auf der Truhe standen hohe Vasen
     und ein paar Leuchter mit dicken, gewundenen Kerzen.
    Der Junge fand eine Schachtel mit Streichhölzern und zündete die Kerzen an, nicht weil er das Bedürfnis hatte, besser zu sehen
     als bisher, sondern weil

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