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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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daß sie so etwas tun werden. Sie wissen sehr wohl, daß der Tåkernsee den Stockenten gehört. Warum sollten
     sie wohl so viele Vögel heimatlos und unglücklich machen? Das hast du dir nur ausgedacht, um mich bange zu machen. Ich will
     dir wünschen, daß dich der Adler Gorgo in Stücke zerreißt! Ich will dir wünschen, daß unsere Herrin dir den Schnurrbart abschneidet!«
    Jarro vermochte jedoch Klorina nicht zum Schweigen zu bringen. »So, du glaubst also, daß ich lüge,« sagte sie. »Du kannst
     ja Cäsar einmal fragen! Er war gestern abend auch in der Stube. Cäsar lügt nie.«
    »Cäsar,« sagte Jarro, »du verstehst die Sprache der Menschen viel besser als Klorina. Sag' du, daß sie nicht richtig gehört
     hat. Bedenke doch, wie es werden würde, wenn die Menschen den Tåkernsee austrockneten und seine Ufer zu Ackerland machten!
     Dann gäbe es kein Entengrün mehr für die heranwachsenden jungen Enten und keine Fischbrut und keine Kaulquappen und keine
     Mückenlarven für die jungen Entlein. Dann würden auch die Binsenwälder verschwinden, in denen sich die kleinen Entlein jetzt
     verstecken können, bis sie flügge sind. Alle Enten müssen von hier fortziehen und sich eine andere Wohnung suchen. Aber wo
     sollen sie eine Zufluchtsstätte, wie den Tåkernsee, finden? Cäsar, sage du, daß Klorina nicht richtig gehört hat!«
    Es war eigentümlich, zu beobachten, wie Cäsar sichbei dieser Unterhaltung aufführte. Er war während der ganzen übrigen Zeit völlig wach gewesen, als sich aber Jarro an ihn
     wandte, gähnte er, legte seine lange Schnauze auf die Vorderpfoten und verfiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
    Die Katze sah mit einem listigen Lächeln auf Cäsar hinab. »Ich glaube, Cäsar hat keine Lust, dir zu antworten,« sagte sie
     zu Jarro. »Ihm geht es so wie allen Hunden: Sie wollen niemals zugeben, daß die Menschen unrichtig handeln. Aber du kannst
     dich trotzdem auf mein Wort verlassen. Ich will dir sagen, warum die Menschen den See gerade jetzt trockenlegen wollen. Solange
     die Stockenten die Herrschaft über den Täkernsee hatten, wollten sie ihn nicht trockenlegen, denn von euch hatten sie doch
     einigen Nutzen. Aber nun haben sich ja die Haubentaucher und die Bläßhühner und viele andere Vögel, die nicht eßbar sind,
     fast aller Binsenwälder bemächtigt, und die Menschen finden es nicht notwendig, um ihretwillen den See zu bewahren.«
    Jarro hatte keine Lust, Klorina zu antworten, er erhob nur den Kopf und rief Cäsar ins Ohr: »Cäsar! Du weißt doch, daß da
     auf dem Tåkernsee so viele Enten sind, daß es aussehen kann wie Wolken am Himmel. Sag' du doch, daß es nicht wahr ist, daß
     die Menschen die alle heimatlos machen wollen!«
    Da fuhr Cäsar auf und unternahm einen gewaltigen Ausfall gegen Klorina, so daß diese auf ein Wandbrett hinauf flüchten mußte.
     »Ich will dich lehren zu schwatzen, wenn ich schlafen will!« brüllte Cäsar. »Ich weißsehr wohl, daß die Rede davon ist, in diesem Jahr den See trockenzulegen. Aber davon ist schon so oft geredet, ohne daß etwas
     daraus geworden ist. Und dies Trockenlegen ist eine Sache, die ich nicht billige. Denn was sollte wohl aus der Jagd werden,
     wenn der Tåkernsee trockengelegt würde? Du bist ein Rindvieh, daß du dich über so etwas freuen kannst. Womit sollen du und
     ich uns belustigen, wenn es keine Vögel mehr auf dem Tåkernsee gibt?«
Der Lockvogel.
    Sonntag, den 17. April.
    Ein paar Tage später war Jarro so munter, daß er durch die ganze Stube fliegen konnte. Und da verhätschelte ihn die Bäuerin,
     und der kleine Junge lief auf den Hof hinaus und pflückte ihm die ersten Grashalme, die aufgesproßt waren. Wenn ihn die Bäuerin
     streichelte, dachte Jarro, daß, obwohl er jetzt gesund genug war, um nach dem Tåkernsee hinabzufliegen, wenn es ihm beliebte,
     er sich nicht von den Menschen trennen wollte. Er hatte nichts dagegen, sein ganzes Leben bei ihnen zu bleiben.
    Aber eines Morgens in aller Frühe legte die Bäuerin eine Schlinge um Jarro, so daß er seine Flügel nicht gebrauchen konnte,
     und übergab ihn dann dem Knecht, der ihn draußen auf dem Hof gefunden hatte. Der steckte ihn unter den einen Arm und ging
     mit ihm an den Tåkernsee hinab.
    Das Eis war geschmolzen, während Jarro krankwar. Die alten, trockenen Binsenhalme vom vergangenen Jahr standen noch am Ufer und rings um die kleinen Inseln herum, aber
     alle Wasserpflanzen hatten schon begonnen, in der Tiefe frische Schüsse zu

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