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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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nicht, woher es kam, aber es fiel ihm ein, daß hier in alten Zeiten starke und tapfere
     Recken gelebt haben mußten, die viele gefährliche und kühne Abenteuer in diesen geheimnisvollen Gegenden ausgeführt hatten.
     Die alte Lust, etwas Merkwürdiges zu erleben, erwachte in ihm. »Es ist nicht unmöglich, daß mir die Spannung, jeden, oder
     doch jeden zweiten Tag in Lebensgefahr zu schweben, fehlen wird,« dachte er. » Es ist gewiß am besten, wenn ich damit zufrieden
     bin, wie es nun einmal ist.«
    Davon sagte er jedoch nichts zu dem großen Weißen, denn die Gänse flogen mit der größten Geschwindigkeit, die ihnen möglich
     war, über Bohuslän dahin, und der Gänserich war so außer Atem, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Die Sonne stand unten
     am Horizont, und hin und wieder verschwand sie hinter einer Bergspitze, aber die Wildgänse flogen so schnell, daß sie sie
     immer von neuem wiedersahen.
    Endlich gewahrten sie im Westen einen blanken Streifen, der mit jedem Flügelschlag wuchs und breiter wurde. Es war das Meer,
     das milchweiß dalag, mit rosenroten und himmelblauen Streifen, und als sie an den Klippen am Strande vorüberflogen, erblickten
     sie abermals die Sonne, die jetzt groß und rot am Himmelsrand hing, bereit in die Wellen hinabzutauchen.
    Aber als der Junge das freie, unendliche Meer sahund die rote Abendsonne, die mit einem so milden Glanz schimmerte, daß er gerade in sie hineinsehen konnte, da zogen Friede
     und Sicherheit in seine Seele ein. »Es hat gar keinen Zweck, betrübt zu sein, Niels Holgersen,« sagte die Sonne. »Es ist herrlich,
     auf der Welt zu leben, für Große wie für Kleine. Es ist auch gut, frei und frank zu sein und den ganzen Himmelsraum zum Tummelplatz
     zu haben.«
Das Geschenk der Wildgänse.
    Die Wildgänse hatten sich zum Schlafen auf eine kleine Schäre vor Fjällbacka gestellt. Aber als Mitternacht nahte, und der
     Mond schon am Himmel stand, rieb sich die alte Akka den Schlaf aus den Augen und ging hin, um Iksi und Kaksi, Kalme und Nälja,
     Biisi und Kuusi zu wecken. Zuletzt stieß sie auch Däumling mit dem Schnabel, so daß er erwachte. »Was gibt's, Mutter Akka?«
     fragte er und fuhr ganz erschreckt in die Höhe. »Nichts Besonderes!« antwortete die Führergans. »Nichts weiter, als daß wir
     sieben Alten aus der Schar diese Nacht eine Strecke übers Meer hinausfliegen wollen, und da wollte ich dich fragen, ob du
     nicht Lust hast, mitzukommen.«
    Der Junge begriff sofort, daß Akka nicht mit einem solchen Vorschlag gekommen wäre, falls nicht etwas Besonderes vorgelegen
     hätte, und er setzte sich sofort auf ihren Rücken. Sie nahmen den Kurs in gerader Richtung nach Westen. Zuerst flogen sie
     über eine Reihe großer und kleiner Inseln, die nahe an der Küste lagen, dann über eine breite Strecke offenen Wassers, und
     schließlicherreichten sie die große Väderöer Inselgruppe, die ganz draußen am offenen Meer liegt. Alle Inseln waren niedrig und voller
     Klippen, und im Mondlicht konnte man deutlich sehen, daß sie an der Westseite von den Wellen blankgeschliffen waren. Einige
     davon waren ziemlich groß und auf ihnen unterschied der Junge ein paar Häuser. Akka suchte eine der kleinsten Schären auf
     und ließ sich dort nieder. Diese ganze Insel bestand nur aus einer unebenen Felsplatte mit einem breiten Spalt in der Mitte,
     in den das Meer seinen Strandsand und Muscheln hineingespült hatte.
    Als Niels Holgersen von dem Rücken der Gans herunterstieg, sah er dicht neben sich etwas, das einem hohen, spitzen Stein glich.
     Aber fast im selben Augenblick merkte er, daß es ein großer Raubvogel war, der die Schäre zum Nachtquartier gewählt hatte.
     Er hatte jedoch kaum Zeit, sich darüber zu wundern, daß sich die Wildgänse so unvorsichtig neben einem gefährlichen Feind
     niedergelassen hatten, als der Vogel schon mit einem langen Sprung zu ihnen hinkam und er den Adler Gorgo erkannte.
    Es stellte sich heraus, daß Akka und Gorgo sich hier draußen ein Stelldichein gegeben hatten. Sie waren beide nicht erstaunt,
     einander zu sehen, »Das war gut gemacht, Gorgo!« sagte Akka. »Ich hatte eigentlich nicht geglaubt, daß du vor uns am verabredeten
     Ort eintreffen könntest. Hast du lange gewartet?« – »Ich bin gestern abend gekommen,« antwortete Gorgo. »Aber ich fürchte,
     das einzige, weswegen du mich loben kannst, ist, daß ich so gut auf euch achtgegeben habe. Mit dem Auftrag, den du mir gegeben
     hast, sieht es nicht

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