Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
gegangen waren.
Ausnahmsweise konnte er wohl einmal in ein Haus kommen, wo der Mann Tische und Stühle zusammenzimmerte, und die Frau webte,
und es war über jedenZweifel erhaben, daß die Leute dort nicht nur wohlhabender, sondern auch glücklicher waren als die in den anderen Häusern.
Er sprach mit seinem Oheim hierüber, und der alte Herr sah ein, daß es ein großes Glück sein würde, wenn die Leute sich in
müßigen Stunden mit Handarbeit beschäftigen wollten. Aber um soweit zu gelangen, war es offenbar notwendig, daß sie von Kindheit
an ihre Hände gebrauchen lernten. Die beiden Herren kamen zu der Erkenntnis, daß sie zu der Förderung ihrer Sache nichts Besseres
tun könnten, als eine Handfertigkeitsschule für Kinder zu errichten. Sie sollten dort lernen, einfache Gegenstände aus Holz
anzufertigen, denn diese Art Arbeit würde, nach Ansicht der beiden Herren, allen am leichtesten werden. Sie waren überzeugt,
daß, wer einmal gelernt hatte, das Messer gut zu gebrauchen, auch lernen würde, den großen Schmiedehammer und den kleinen
Schusterhammer zu führen. Wer aber nicht von Jugend auf seine Hand an Arbeit gewöhnt hatte, würde vielleicht niemals auf den
Gedanken kommen, daß er in der Hand ein Werkzeug besaß, das mehr wert ist als alle anderen.
So hatten sie denn auf Nääs angefangen, Kinder in Handfertigkeit zu unterrichten, und sie sahen bald, daß es nützlich und
gut für die Kleinen war, und wünschten nun, daß alle Kinder in Schweden einen solchen Unterricht erhalten möchten.
Aber wie ließ sich das machen? Es wuchsen ja Hunderttausende von Kindern in Schweden auf. Man konnte sie doch nicht alle nach
Nääs kommen lassen, um ihnenHandfertigkeitsunterricht zu geben. Das war ganz unmöglich.
Da kam der junge Herr mit einem neuen Vorschlag. Wie, wenn man, statt die Kinder zu unterrichten, ein Handfertigkeitsseminar
für ihre Lehrer einrichtete? Wie, wenn die Lehrer und Lehrerinnen aus dem ganzen Lande nach Nääs kämen, dort Handfertigkeit
erlernten und dann nachher mit allen den Kindern, die sie in ihren Schulen hatten, Handfertigkeit trieben? Aus die Weise würde
es vielleicht gelingen, daß die Hände aller Kinder in Schweden ebenso geübt würden wie ihr Gehirn.
Als dieser Gedanke erst einmal in ihnen wachgerufen war, konnten die beiden Herren ihn gar nicht wieder loswerden, sondern
suchten ihn zur Ausführung zu bringen.
Sie halfen einander getreulich. Der alte Herr ließ Arbeitssäle, ein Versammlungshaus und einen Turnsaal bauen und sorgte für
die Wohnung und Verpflegung aller, die die Schule besuchten. Der junge Herr wurde Vorsteher des Seminars. Er machte den Plan
für den Unterricht, leitete die Arbeit und hielt Vorträge. Und nicht genug damit. Er lebte beständig mit den Schülern zusammen,
machte sich mit den Verhältnissen jedes einzelnen bekannt und wurde ihnen ein aufrichtiger und treuer Freund.
Und wie viele Schüler strömten nicht gleich von Anfang an herbei! In jedem Jahr wurden vier Kurse abgehalten, und zu allen
meldeten sich mehr Schüler, als aufgenommen werden konnten Auch im Ausland wurde die Schule bald bekannt, und Lehrer und Lehrerinnen
aus aller Herren Länder kamen nach Nääs, um zu lernen,wie sie es anfangen mußten, um die Hand zu erziehen, Kein Ort in Schweden war so bekannt im Auslande wie Nääs, und kein Schwede
hatte ringsumher auf der ganzen Welt so viele Freunde wie der Vorsteher des Nääser Handfertigkeitsseminars.
Die kleine, schüchterne Lehrerin saß da und hörte dies alles an, und je mehr sie hörte, um so lichter ward es um sie her.
Sie hatte bisher gar nicht gewußt, warum die Handfertigkeitsschule auf Nääs war, sie hatte nicht gewußt, daß sie von zwei
Männern ins Leben gerufen war, die ihrem Lande nützen wollten, sie hatte keine Ahnung davon gehabt, daß diese alles opferten,
was sie opfern konnten, um ihren Mitmenschen zu helfen, besser und glücklicher zu werden.
Wenn sie nun an die große Güte und Nächstenliebe dachte, die dem allen zugrunde lag, ergriff sie das so sehr, daß sie nahe
daran war, zu weinen. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
Am nächsten Tage ging sie in einer ganz anderen Gemütsverfassung an die Arbeit. Wenn das alles aus Güte gegeben wurde, mußte
sie es ja auf ganz andere Weise hinnehmen als bisher. Sie vergaß, an sich selbst zu denken und ging ganz auf in ihrer Arbeit
und dem großen Ziel, das dadurch erreicht werden sollte. Und von dem
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