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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Jahre in dem großen Hünengrab bei Skalunda gewohnt.«
    Die Seeleute setzten sich nun auf ein paar Steine. Sie wagten nicht, mit dem Riesen zu sprechen, sondern saßen still da und
     starrten ihn an. Und je länger sie ihn betrachteten, um so größer, schien es ihnen, wurde er, und um so kleiner und schwächer
     wurden sie selbst.
    »Meine Augen sind nicht mehr so gut, wie sie gewesen sind,« sagte der Riese, »Kaum, daß ich euch erkennen kann. Sonst könnte
     es mich wohl belustigen, zu sehen, wie ein Westgote heutzutage aussieht. Einer von euch reiche mir aber wenigstens die Hand,
     damit ich fühlen kann, ob da noch warmes Blut in Schweden ist.«
    Die Männer sahen erst die Fäuste des Riesen und dann ihre eigenen Hände an. Keiner von beiden hatte Lust, seinen Händedruck
     kennenzulernen. Dann abererblickten sie eine eiserne Stange, mit der der Riese das Feuer zu schüren pflegte; sie war im Feuer liegengeblieben und
     an dem einen Ende glühend rot. Mit vereinten Kräften hoben sie die Stange auf und hielten sie dem Riesen hin. Er umfaßte die
     Stange und preßte sie so, daß das Eisen ihm zwischen den Fingern herablief. »Ja, ich kann merken, daß es noch warmes Blut
     in Schweden gibt,« sagte er ganz vergnügt zu den verblüfften Seeleuten.
    Dann wurde es wieder still um das Feuer, aber diese Begegnung mit seinen Landsleuten führte die Gedanken des Riesen nach Westgötland
     zurück. Eine Erinnerung nach der anderen tauchte in ihm auf.
    »Ich möchte wohl wissen, was aus dem Skalundaer Hünengrab geworden ist?« fragte er die Seeleute.
    Keiner von den Männern wußte etwas von dem Hünengrab, nach dem der Riese fragte. »Es wird wohl sehr eingefallen sein,« meinte
     der eine zögernd. Er hatte ein Gefühl, als könne man einem solchen Frager keine Antwort schuldig bleiben. – »Freilich, freilich,
     das dachte ich mir wohl,« sagte der Riese und nickte zustimmend. »Es war ja nicht anders zu erwarten, denn den Hügel trugen
     meine Frau und meine Tochter einmal in einer frühen Morgenstunde in ihren Schürzen zusammen.«
    Wieder saß er da und grübelte und suchte Erinnerungen wachzurufen. Er hatte ja nicht gerade kürzlich in Westgötland gewohnt,
     und es währte eine ganze Weile, bis er tief genug in seine Erinnerungen eindringen konnte.
    »Aber Kinnekulle und Billingen und die anderen kleinen Berge, die über die große Ebene zerstreut lagen,die stehen doch wohl noch?« fragte der Riese, »Ja, die stehen noch,« antwortete der Westgöte, und um dem Riesen zu zeigen,
     daß er merkte, er habe es mit einem tüchtigen Mann zu tun, fügte er hinzu: »Ihr habt vielleicht diese Berge aufbauen helfen?«
    »Ach, das gerade nicht,« erwiderte der Riese, »aber ich kann dir erzählen, daß du es meinem Vater zu verdanken hast, wenn
     die Berge da stehen. Als ich noch ein kleiner Knirps war, gab es in Westgötland keine große Ebene, sondern da, wo sich jetzt
     die Ebene ausbreitet, lag ein Bergland, das sich vom Wetternsee bis zum Götaelf erstreckte. Aber dann hatten einige Elfe sich
     vorgenommen, das Gebirge zu zerbröckeln und es an den Wenernsee hinabzutragen. Es waren keine richtigen Granitberge, sie bestanden
     hauptsächlich aus Kalkstein und Schiefer, daher wurde es den Elfen leicht, damit fertig zu werden. Ich entsinne mich noch,
     wie sie ihre Flußbetten und Täler breiter und breiter machten, und schließlich erweiterten sie sie zu Ebenen. Mein Vater und
     ich gingen zuweilen aus und sahen der Arbeit der Elfe zu, und der Vater war gar nicht so recht damit einverstanden, daß sie
     das ganze Gebirge zerstörten. ›Sie könnten uns doch wenigstens ein paar Ruhestätten übriglassen!‹ sagte er, und im selben
     Augenblick zog er seine steinernen Schuhe aus und stellte den einen der Länge nach gen Westen und den anderen der Länge nach
     gen Osten auf. Seinen steinernen Hut legte er auf eine Bergkuppe am Wenernsee, meinen steinernen Hut schleuderte er weiter
     nach Süden zu, und seine steinerne Keule warf er in derselben Richtung von sich. Was wir sonst an gutem, hartem Stein bei
     unshatten, legte er an verschiedenen Stellen nieder. Und dann ereignete es sich, daß die Flüsse fast das ganze Gebirge wegspülten.
     Aber die Stellen, die mein Vater mit seinen steinernen Sachen bedeckt hatte, wagten sie nicht anzurühren; die blieben stehen.
     Da wo mein Vater seinen einen Schuh hingesetzt hatte, blieb der Halleberg unter dem Absatz und der Hunneberg unter der Sohle
     stehen. Unter dem anderen

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