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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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deinen Stammverwandten so gut Bescheid weiß wie ich.
    Einmal saß ich viele Jahre hintereinander im Käfig bei einem Bergmeister hier in Falun, und in seinem Hause hörte ich das,
     was ich dir nun erzählen will.
    Vor vielen, vielen Jahren wohnte hier in Dalarna ein Riese, der hatte zwei Töchter. Als der Riese alt wurde und fühlte, daß
     er sterben sollte, rief er die Töchter zu sich, um seinen Besitz zwischen sie zu teilen.
    Sein größter Reichtum bestand in einigen Bergen voller Kupfer, und die wollte er seinen Töchtern geben. ›Ehe ich euch aber
     dies Erbe hinterlasse,‹ sagte er, ›müßt ihr mir geloben, daß, falls ein Fremder eure Kupferberge entdecken sollte, ihr ihn
     totschlagen wollt, ehe er irgend jemand seinen Fund zeigen kann.‹ Die älteste von denTöchtern des Riesen war wild und grausam, und sie versprach, ohne Besinnen, dem Vater zu gehorchen. Die andere hatte einen
     sanfteren Sinn, und der Vater sah, daß sie überlegte, ehe sie ihr Versprechen gab. Daher hinterließ er ihr nur ein Drittel
     des Erbes, während die ältere genau doppelt soviel bekam wie sie. ›Auf dich kann ich mich verlassen, als seiest du ein Mann,‹
     sagte der Riese, ›und darum sollst du das Bruderteil haben.‹
    Bald darauf starb der alte Riese, und lange Zeit hielten die beiden Töchter ihr Versprechen ganz gewissenhaft. Es geschah,
     daß mehr als ein armer Holzhauer oder Jäger das Kupfererz erblickte, das an mehreren Stellen oben auf der Oberfläche des Berges
     lag, aber kaum war er nach Hause gekommen und hatte erzählt, was er gesehen, als ihn ein Unglück traf. Entweder stürzte eine
     ausgegangene Tanne auf ihn herab, oder auch er wurde unter einem Bergrutsch begraben. Er fand nie Zeit, irgend jemand zu zeigen,
     wo der Schatz in der Wildnis zu finden war.
    Zu jener Zeit war es Sitte im Lande, daß alle Bauern im Sommer ihr Vieh tief in die Wälder hinein auf die Weide trieben. Die
     Hirtenmädchen gingen mit, um zu melken und Butter und Käse zubereiten. Um den Hirten und dem Vieh eine Zufluchtsstätte in
     der Wildnis zu schaffen, rodeten die Bauern einen kleinen Fleck im Walde und bauten dort kleine Häuser, die sie Sennhütten
     nannten. Nun geschah es, daß ein Bauer, der am Dalelf in der Torsånger Gemeinde wohnte, seine Sennhütte an dem See Runn hatte,
     wo die Erde so steinig war, daß niemand versucht hatte, sie zu bebauen. Einmal im Herbst zog derBauer mit ein Paar Lastpferden nach der Sennhütte hinauf, um behilflich zu sein, das Vieh, die Butterkübel und die Käse nach
     Hause zu schaffen. Als er die Herde zählte, entdeckte er, daß einer der Böcke an den Hörnern ganz rot war. ›Was für Hörner
     sind das, die der Ziegenbock Kåre hat?‹ fragte der Bauer die Sennerin. – ›Das weiß ich nicht,‹ antwortete das Mädchen. ›Er
     ist den ganzen Sommer jeden Abend mit den roten Hörnern heimgekommen. Er findet wohl, daß das hübsch ist.‹ – ›Meinst du!‹
     fragte der Bauer. – ›Der Bock hat seinen eigenen Kopf, und ich kann die roten Hörner scheuern, soviel ich will, er läuft gleich
     hin und macht sie wieder rot.‹ – ›Scheure du die rote Farbe nur noch einmal ab,‹ sagte der Bauer, ›dann will ich sehen, wie
     er das anstellt.‹
    Kaum waren dem Ziegenbock die Hörner gescheuert, als er schleunigst in den Wald lief. Der Bauer folgte ihm, und als er den
     Bock einholte, stand der und rieb die Hörner gegen ein paar Steine, die rot waren. Der Bauer nahm die Steine in die Hand und
     roch daran. Er glaubte bestimmt, daß das, was er gefunden hatte, Erz sei.
    Wie er noch dastand und in Gedanken versunken war, kam ein Felsblock dicht neben ihm den Abhang hinabgerollt. Der Bauer sprang
     zur Seite und rettete sein Leben, der Ziegenbock Kåre aber geriet unter den Felsblock und wurde getötet. Als der Bauer den
     Abhang hinaufsah, erblickte er ein großes, starkes Riesenweib, das im Begriff war, noch einen Felsblock auf ihn herabzuwälzen,
     ›Was fällt dir ein!‹ rief der Bauer. ›Ich habe weder dir noch deiner Sippe je ein Leid getan.‹ – ›Nein, das weiß ich wohl,‹
     erwiderte das Riesenweib. ›Aber ichmuß dich totschlagen, weil du meinen Kupferberg entdeckt hast.‹ Diese Worte sagte sie mit trauriger Stimme, als wenn sie
     ihn sehr gegen ihren Willen töten müsse, und das machte dem Bauer Mut, sich in eine Unterhaltung mit ihr einzulassen. Dann
     erzählte sie ihm von dem alten Riesen und dem Versprechen, das sie gegeben, und von der Schwester, die

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