Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
gefunden. Aber der Gedanke
an die großen Reichtümer, die ihm jetzt zufallen würden, machte ihn ganz wild und verwirrt. Er veranstaltete noch am selben
Abend ein großes Gastmahl, trank und tanzte und würfelte; schließlich geriet er in Streit und Prügelei, und einer seiner Zechgenossen
jagte ihm ein Messer in den Leib.
In den großen Kupferberg wurde immer soviel Erzgegraben, daß die Grube für die reichste Kupfergrube in aller Welt Ländern galt. Nicht nur die nächste Umgegend zog Vorteil
aus ihren großen Reichtümern, sondern die Schätze, die man dort förderte, wurden in schwerer Zeit zu einer großen Hilfe für
das Land Schweden. Die Grube war schuld daran, daß die ganze Stadt Falun gebaut wurde, und man betrachtete die Grube als so
merkwürdig und von so hohem Nutzen, daß alle Könige nach Falun reisten, um sie zu sehen, und sie nannten sie Schwedens Glück
und die Schatzkammer des Svea-Reiches.
Wenn man bedenkt, wie große Reichtümer die alte Grube ans Tageslicht gefördert hatte, kann man sich nicht wundern, daß diejenigen,
die glaubten, daß sich ganz in der Nähe ein doppelt so großer Kupferschatz befinde, sich darüber grämen mußten, daß sie seiner
nicht habhaft werden konnten. Viele setzten ihr Leben aufs Spiel, um danach zu suchen, erreichten aber nichts dadurch.
Einer der letzten, die den Schatz sahen, war ein junger Bergmann aus Falun aus guter, reicher Familie. Er verliebte sich in
ein schönes Bauermädchen aus Leksand und ging hin, um sie zu freien, aber sie lehnte es ab, ihn zu heiraten, weil sie nicht
in Falun wohnen wollte, wo der Rauch aus Röstöfen und Schmelzhütten so schwer drückend über der Stadt lag, daß ihr schon ganz
unheimlich zumute wurde, wenn sie nur daran dachte.
Der Bergmann liebte sie glühend, und als er heimkehrte, war er tief betrübt. Er hatte sein ganzes Leben in Falun gewohnt,
und es war ihm niemals eingefallen, daß es schwer sein könne, dort zu wohnen. Aber als er sich jetzt der Stadt näherte, erschrak
er. Aus der großenGrubenöffnung, aus den Hunderten von Röstöfen rings um sie herum stieg der dicke, erstickende Schwefelrauch auf und hüllte
die ganze Stadt in Nebel. Der Rauch hinderte die Pflanzen zu gedeihen, so daß die Erde in weitem Umkreis kahl und nackend
dalag. Die Schmelzhütten, in denen das Feuer glühte, und die von schwarzen Schlackenhaufen umgeben waren, sah er überall,
nicht nur in der Stadt und ihrer nächsten Umgebung, sondern über die ganze Gegend zerstreut. Sie lagen bei Grycksbro, bei
Bengtsarc, bei Bjerggaarden, bei Stennässek, bei Kovsnäs, in Vita und ganz weit hin bis Aspeboda. Er sah ein, daß wer gewohnt
war, am blanken Siljen, im Sonnenschein und zwischen grünen Bäumen zu leben, hier nicht gedeihen konnte.
Der Anblick der Stadt machte ihm das Herz noch schwerer, als es schon im voraus war. Er hatte keine Lust, gleich nach Hause
zu gehen, sondern bog vom Wege ab und ging in den Wald hinein. Da wanderte er den ganzen Tag umher, ohne acht zu geben, wohin
er kam.
Als es abend wurde, erblickte er plötzlich einen Berg, der wie Gold schimmerte. Als er genauer zusah, entdeckte er eine mächtige
Ader aus Kupfererz. Anfänglich freute er sich über seine Entdeckung, aber dann fiel ihm ein, daß dies vielleicht das Bruderteil
sei, das so viele ins Verderben gestürzt hatte, und da wurde er bange. ›Heute bin ich wirklich vom Unglück verfolgt,‹ sagte
er. ›Vielleicht wird es mir nun das Leben kosten, daß ich diesen Reichtum gefunden habe.‹ Er kehrte sofort um und begab sich
auf den Heimweg. Als er eine Strecke gegangen war, begegnete ihm eine große, starke Frau. Sie glich einer gebieterischenBergmannsgattin, aber er konnte sich nicht entsinnen, sie je zuvor gesehen zu hüben.
›Ich möchte wohl wissen, was du im Walde gemacht hast!‹ sagte die Frau. ›Ich habe dich den ganzen Tag hier umherstreifen sehen.‹
– ›Ich habe mich nach einem Bauplatz umgesehen,‹ sagte der Bergmann,›denn das Mädchen, das ich lieb habe, will nicht in Falun
wohnen.‹ – ›Ist es nicht deine Absicht, Erz in dem Kupferberg zu brechen, den du vorhin gefunden hast?‹ fragte sie weiter.
›Nein,‹ sagte der Bergmann, ›ich bin gezwungen, den Bergbau aufzugeben, sonst kann ich die nicht bekommen, die ich lieb habe.‹
– ›Ja, bleibe du nur dabei,‹ sagte die Frau, ›dann wird dir kein Leid geschehen.‹
Mit diesen Worten verließ sie ihn. Er aber beeilte sich,
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