Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
wolltest mir erzählen, wo es ist, als Lohn dafür, daß ich dich aus der Gefangenschaft befreit habe,« sagte
der Junge.
»Du mußt sehr schläfrig gewesen sein, wahrend ich von dem Bruderteil erzählte,« sagte Bataki. »Sonst hättest du dir keine
solche Hoffnungen machen können. Hast du denn nicht beachtet, daß alle, die etwas darüber aussagten, wo das Bruderteil zu
finden sei, ins Unglück gerieten? Nein, mein Freund, Bataki hat lange genug auf der Erde gelebt, um zu lernen, daß man seinen
Mund halten muß.«
Damit erhob er die Flügel und flog davon.
Akka stand dicht bei der Schwefelsiederei auf dem Felde, aber es währte ziemlich lange, bis der Junge rief, daß sie kommen
und ihn holen solle. Er war mißmutig und niedergeschlagen, weil er um die großen Reichtümer betrogen war. Er fand, er habe
gar keinen Grund, fröhlich zu sein. »Ich glaube, die Geschichte mit den Riesenweibern ist nicht wahr,« sagte er zu sich selbst,
»und ich glaube auch nicht an die Wölfe und an die Waken, aber ich glaube, wenn arme Grubenarbeiter die große Erzader mitten
in dem wilden Walde fanden, so wurden sie so verwirrt vor Freude, daß sie sie hinterher nicht wiederfinden konnten.Und ich glaube, die Enttäuschung ist so schwer für sie gewesen, daß sie das Leben nicht zu ertragen vermochten. So, glaube
ich, verhält sich die Sache.«
XXX. Der Walpurgisabend
Es gibt einen Tag im Jahre, auf den sich alle Kinder in Dalarna fast ebensosehr freuen als auf den Weihnachtsabend, und das
ist die Walpurgisnacht, wo sie Feuer im Freien abbrennen dürfen.
Viele Wochen vorher denken Knaben und Mädchen an nichts weiter, als Feuerung für die Walpurgisfeuer zu sammeln. Sie gehen
in den Wald hinaus und suchen trockne Reiser und Tannenzapfen, sie sammeln bei dem Tischler Späne und bei dem Holzhauer Holzstückchen
und Baumrinde und Holzknorren. Sie gehen jeden Tag zum Kaufmann und betteln um alte Kisten, und ist einer unter ihnen so glücklich
gewesen, eine leere Teertonne zu ergattern, so versteckt er sie wie seinen größten Schatz und wagt nicht eher damit zum Vorschein
zu kommen, als im letzten Augenblick, kurz ehe die Feuer angezündet werden sollen. Die dünnen Reiser, die man als Stütze für
Erbsen und Bohnen benutzt, sind sehr begehrt, ebenso alle alten, umgewehten Zaunpfähle, alle zerbrochenen Gerätschaften und
alle Heureiter, die draußen auf dem Felde vergessen sind.
Wenn der große Abend kommt, haben die Kinder in jedem Dorf einen großen Haufen Zweige und Reiser und alle möglichen brennbaren
Gegenstände bereitgelegt,entweder auf einem Hügel oder auch unten am User eines Sees. In einzelnen Dörfern ist nicht zu einem einzelnen Reisigfeuer
zusammengetragen, sondern es erheben sich zwei, ja oft drei große Holzhaufen. Es kann ja vorkommen, daß sich die Knaben und
Mädchen nicht beim Reisigsammeln haben einen können, oder auch die Kinder, die in dem südlichen Ende des Dorfes wohnen, wollen
das Feuer bei sich haben, und darauf können die, die am nördlichen Ende wohnen, nicht eingehen, und dann müssen sie jedes
ihr eigenes Feuer haben.
Die Holzstöße sind in der Regel schon rechtzeitig am Nachmittag fertig, und dann gehen alle Kinder mit Streichhölzern in der
Tasche herum und warten darauf, daß es dunkel werden soll. Es ist um diese Jahreszeit so schrecklich lange hell in Dalarna.
Um acht Uhr fängt es kaum an zu schummern. Es ist kalt und ungemütlich, draußen herumzugehen und zu warten, denn es ist noch
halbwegs Winter. Auf allen Rodeäckern und offenen Feldern ist der Schnee getaut, und mitten am Tage, wenn die Sonne hoch am
Himmel steht, fühlt er sich ganz warm an, aber im Walde liegen noch große Schneeschanzen, das Eis bedeckt die Seen und des
Nachts sind oft viele Grad Kälte. Daher kann es auch geschehen, daß hier und da ein Feuer angezündet wird, ehe es richtig
dunkel ist. Aber nur die kleinsten und ungeduldigsten Kinder übereilen sich so. Die Großen warten, bis es so dunkel ist, daß
sich die Feuer ordentlich ausnehmen können.
Dann kommt endlich der rechte Augenblick. Jeder, der auch nur an einzelnes kleines Reis zu dem Holzstoß beigetragen hat, ist
zur Stelle, und der älteste von denKnaben zündet ein Bündel Stroh an und schiebt es unter den Reiserhaufen. Sofort fängt das Feuer an zu arbeiten; es knittert
und sprüht in dem Holz, die dünnsten Zweige werden feuerrot, der Rauch kommt wogend daher, schwarz und drohend. Und
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