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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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gesagt, daß der flache Küstenstrich, der unter ihnen ausgebreitet lag, Västerbotten sei, und daß
     die blauenden Bergkuppen weit hinten im Westen in Lappland lägen.
    Schon allein das Bewußtsein, nach all der Angst, die er während des Waldbrandes ausgestanden hatte, wieder wohlbehalten auf
     Gorgos Rücken zu sitzen, war ein Glück, aber die Reise selbst war auch wunderbar schön. Am Morgen war Nordwind gewesen, aber
     jetzt hatte sich der Wind gedreht, so daß sie mit ihm flogen, und keinen Zug spürten. Der Flug war so gleichmäßig, daß es
     zuweilen schien, als stünden sie ganz still in der Luft. Der Junge hatte ein Gefühl, als schlage der Adler fortwährend mitden Flügeln, ohne vom Fleck zu kommen. Und doch war unter ihnen alles in Bewegung. Die ganze Erde, und alles darauf glitt
     langsam südwärts. Die Wälder, die Häuser, die Wiesen, die Zäune, die Elfe, die Städte, die Schäreninseln, die Sägewerke, alles
     war auf der Wanderschaft. Er überlegte, wohin das wohl alles wollte. War es müde geworden, so hoch oben im Norden zu wohnen,
     und wollte es südwärts ziehen?
    Zwischen alledem, was sich bewegte und gen Süden zog, sah er nur eins, was still stand, und das war ein Eisenbahnzug. Er stand
     gerade unter ihnen, und es ging dem Zuge genau so wie Gorgo, er konnte nicht vom Fleck kommen. Die Lokomotive spie Rauch und
     Funken aus, bis oben hinauf zu dem Jungen konnte man hören, wie die Räder auf den Schienen rasselten, aber der Zug rührte
     sich nicht. Die Wälder glitten an ihm vorbei, die Bahnwärterhäuschen glitten daran vorüber, Schlagbäume und Telegraphenstangen
     glitten vorüber, aber der Zug stand still. Ein breiter Elf mit einer langen Brücke kam ihm entgegen, aber der Elf und die
     Brücke glitten ohne die geringste Schwierigkeit unter dem Zuge durch. Schließlich kam ein Bahnhof dahergelaufen. Der Stationsvorsteher
     stand mit seiner roten Fahne in der Hand auf dem Bahnsteig lind glitt ganz langsam an den Zug heran. Als er die kleine Fahne
     schwenkte, entsandte die Lokomotive einige Rauchwirbel in die Luft, die noch schwärzer waren als vorher, und pfiff jämmerlich,
     als wolle sie sich darüber beklagen, daß sie nicht vorwärtskommen könne. Aber im selben Augenblick fing sie an zu gehen. Ebenso
     wie der Bahnhof und all das andere glitt sie südwärtsdahin, Der Junge sah, wie die Wagentüren geöffnet wurden und die Reisenden ausstiegen, während sich sowohl der Zug, als auch
     die Reisenden in südlicher Richtung weiter bewegten. Da aber wandte Niels Holgersen seine Augen von der Erde ab und versuchte
     geradeaus zu sehen. Er hatte ein Gefühl, als werde er ganz schwindlig, wenn er diesen wunderlichen Eisenbahnzug ansah.
    Als jedoch der Junge eine Weile dagesessen und eine kleine weiße Wolke angestarrt hatte, wurde er auch davon müde und sah
     wieder hinunter. Noch immer war es, als wenn er und der Adler sich nicht bewegten, während alles andere südwärts sauste. Wie
     er da so auf dem Rücken des Adlers saß und zu seiner Unterhaltung nichts hatte als seine eigenen Gedanken, schien es ihm spaßhaft
     zu denken, wie es sein würde, wenn ganz Västerbotten in Bewegung geriet und gen Süden zog. Wenn nun das Feld, das gerade in
     diesem Augenblick unter ihm dahinglitt, und das wohl eben erst bestellt war, denn er konnte nicht einen einzigen grünen Halm
     darauf erblicken, – nach der Südebene in Schonen hinuntersauste, wo der Roggen um diese Zeit schon Ähren angesetzt hatte!
    Die Tannenwälder sahen hier oben ganz anders aus. Die Bäume standen weit auseinander, die Zweige waren kurz, die Nadeln waren
     fast schwarz, viele Bäume waren an den Wipfeln verdorrt und sahen krank aus. Die Erde unter ihnen war mit alten Stämmen bedeckt,
     die wegzuschaffen sich niemand die Mühe gemacht hatte. Wenn nun ein solcher Wald so weit käme, daß er den Kolmården sehen
     konnte! Da würde er sich gewiß sehr ärmlich vorkommen.
    Und der Garten, den er jetzt unter sich sah! Es warenschöne Bäume darin, aber weder Obstbäume noch edle Linden und Kastanien, nur Ebereschen und Birken. Es waren schöne Büsche
     darin, aber weder Goldregen noch Flieder, nur Faulbäume und Hollunder. Gemüsebeete waren auch da, aber sie waren noch nicht
     umgegraben und bepflanzt. Wenn nun so ein Küchengarten ganz nach einem Schloßgarten in Sörmland angefahren käme! Da würde
     er sicher von sich selbst denken, daß er nichts weiter sei als eine Einöde.
    Oder die Wiese dort, die mit so vielen

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