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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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kleinen, grauen Scheunen bedeckt war, daß man glauben sollte, die halbe Erde sei zu
     Bauplätzen geworden! Wenn die nach der Ostgötaebene hinunter triebe, da würden alle Bäume dort unten wahrlich große Augen
     machen.
    Aber wenn das große Moos, das nun unter ihm lag, ganz mit Fichten bewachsen wäre, die nicht steif und kerzengerade daständen
     wie in gewöhnlichen Wäldern, sondern buschige Zweige und üppige Kronen hätten und sich in anmutigen Gruppen auf dem schönsten
     Teppich aus Weißem Renntiermoos aufgestellt hätten, wenn dies Moos dann den Weg nach dem Ovedkloster-Park hinab einschlüge,
     da würde der prächtige Park schon einräumen müssen, daß er seinesgleichen gefunden habe.
    Und wenn die hölzerne Kirche da unten unter ihm mit ihren mit rotem Holz bekleideten Wänden, mit dem buntbemalten Glockenturm
     und mit einer ganzen kleinen Stadt von grauen »Kirchenbuden« daneben an einer der gotländischen Kirchen mit ihren dicken Ziegelsteinmauern
     vorbeigesaust kämen! Die mußten einander wirklich viel zu erzählen haben.
    Aber der Stolz und die Ehre der ganzen Landschaft waren die gewaltigen, finsteren Elfe mit ihren prächtigen Tälern voll von
     Höfen, ihren Unmengen von Bauholz, ihren Sägewerken, ihren Städten mit dem Gewimmel von Dampfschiffen an den Mündungen. Ließ
     sich so ein Elf unten im Lande blicken, so würden alle Bäche und Elfe südlich vom Dalelf vor Scham in die Erde versinken.
    Und wenn so eine unermeßlich große Ebene, die so gut gelegen und so leicht zu bebauen war, vor den Augen der armen Bauern
     in Småland dahergeglitten käme! Da würden sie von ihren mageren Grundstücken und den kleinen, steinigen Äckern herbeigestürzt
     kommen, um sie zu roden und zu bestellen.
    Etwas aber war da, woran diese Landschaft reicher war als alle anderen, nämlich an Licht. Die Kraniche schliefen stehend auf
     den Mooren, die Nacht mußte gekommen sein, aber das Licht war noch da. Die Sonne war noch nicht südwärts gewandert wie alles
     übrige. Dahingegen war sie nun so weit nach Norden gegangen, daß sie dastand und ihm gerade ins Gesicht schien. Und sie schien
     gar nicht die Absicht zu haben, über Nacht noch bis an den Horizont hinabzusinken. Wenn dies Licht und diese Sonne auf Bester
     Vemmenhög herabschienen! Das würde etwas für den Häusler Holger Nielssen und seine Frau sein,– ein Arbeitstag, der vierundzwanzig
     Stunden lang, war!
Der Traum.
    Sonntag, 19. Juni.
    Niels Holgersen hob den Kopf und sah sich um, auf einmal ganz wach. Das war doch sonderbar! Hier lag er und hatte an einem
     Ort geschlafen, wo er nie zuvor gewesen war. Nein, er hatte noch nie das Tal gesehen, in dem er lag, und auch nie die Berge,
     die ihn umgaben. Er kannte nicht den runden See, der mitten in dem Tal lag und hatte nie im Leben solche armselige und verkrüppelte
     Birken gesehen wie die, unter denen er jetzt lag.
    Und wo war der Adler? Er konnte ihn nirgends entdecken. Gorgo mußte ihn verlassen haben. Welch ein Abenteuer!
    Der Junge legte sich wieder an die Erde nieder, schloß die Augen und versuchte sich darauf zu besinnen, wie alles gewesen
     war, ehe er einschlief.
    Er erinnerte sich, daß es ihm die ganze Zeit, während er über den Västerbotten dahinflog, so gewesen war, als stünden er und
     der Adler da oben in der Luft ganz still auf demselben Fleck, während das Land unter ihnen gen Süden zog. Aber dann bog der
     Adler nach Nordwesten ab, sie bekamen den Wind von der Seite, er konnte wieder den Luftzug spüren, und im selben Augenblick
     stand das Land da unten still, und er fühlte, daß der Adler ihn mit Windeseile davontrug.
    »Jetzt fliegen wir nach Lappland hinein!« sagte Gorgo, und der Junge beugte sich vor, um die Landschaft zu sehen, von der
     er so viel gehört hatte.
    Er fühlte sich jedoch ziemlich enttäuscht, als er nichts weiter sah als große Wälder und weite Moore. Da war Wald und Moor
     und Moor und Wald bis ins Unendliche. Die große Einförmigkeit machte ihn schließlich so schläfrig, daß er nahe daran war,
     herunterzustürzen.
    Da sagte er zu Gorgo, daß er es nicht länger aushalten könne, auf dem Adlerrücken zu sitzen, er müsse durchaus ein wenig schlafen.
     Gorgo ließ sich sofort auf die Erde herabsinken, und der Junge warf sich auf das Moos, dann aber packte ihn Gorgo mit den
     Fängen und schwang sich mit ihm in die Luft empor. »Schlafe du nur, Däumling!« rief er. »Mich hält der Sonnenschein wach,
     und ich will die Reise

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