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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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schien ihm einen Vortrag zu halten. »Die Leute glauben immer, je stärker man zutritt, desto mehr tut es weh«, sagte Mr. Vandemars Stimme. »Aber nicht, wie stark man zutritt, ist wichtig, sondern, wo man hintritt. Also, dies ist wirklich ein sehr sanfter Tritt – «
    – etwas donnerte in Richards linke Schulter. Sein linker Arm wurde taub, und eine Blüte des Schmerzes öffnete sich in seiner Schulter. Es fühlte sich an, als stünde sein ganzer Arm in Flammen und würde gleichzeitig vereist, als ob ihm jemand ein Elektroschockgerät tief ins Fleisch gestoßen und den Strom so weit aufgedreht hätte, wie es ging. Er wimmerte. vor sich hin. Und Mr. Vandemar sagte derweil:
    »… aber er tut genauso weh wie dieser – der doch viel härter ist – «
    Der Stiefel schoß wie eine Kanonenkugel in Richards Flanke. Er hörte sich schreien und schluchzen, und er wünschte, er hätte eine Idee, wie er damit aufhören konnte.
    »Ich habe den Schlüssel«, hörte er Door sagen.
    »Wenn Sie ein Schweizer Armeemesser hätten«, sagte Mr. Vandemar zuvorkommend zu Richard, »könnte ich Ihnen zeigen, was Sie mit all den Teilen daran anfangen können. Sogar mit dem Flaschenöffner und dem Ding, mit dem man Steinchen aus Pferdehufen entfernt.«
    »Lassen Sie ihn in Ruhe, Mister Vandemar. Für Schweizer Armeemesser bleibt immer noch genug Zeit. Hat sie den Talisman?«
    Mr. Croup durchsuchte Doors Taschen und nahm die geschnitzte Obsidianfigur heraus: das winzige Ungeheuer.
    Hunters Stimme klang tief und voll. »Was ist mit mir? Wo bleibt mein Lohn?«
    Mr. Croup schniefte. Er warf ihr die Angelhülle zu. Sie fing sie mit einer Hand auf.
    »Waidmannsheil«, sagte Mr. Croup. Dann drehten er und Mr. Vandemar sich um und gingen, Door in der Mitte zwischen sich, die Spirale der Down Street hinab.
    Hunter kniete sich auf den Boden und begann, die Riemen an der Hülle zu lösen. Ihre Augen waren groß und glänzend. Richard lag am Boden und sah ihr zu.
    »Was ist das?« fragte er. »Dreißig Silberlinge?«
    Sie zog es langsam aus der Stoffhülle, und ihre Finger liebkosten es, streichelten es. Liebten es.
    »Ein Speer«, antwortete sie.
    Er bestand aus einem bronzefarbenen Metall; die Klinge war lang und gebogen wie ein Kris, scharf auf der einen Seite, gezackt auf der anderen; in die Seite des Hefts, das grün vor Grünspan und mit fremdartigen Zeichnungen und seltsamen Schnörkeln verziert war, waren Gesichter eingraviert. Er war von der Spitze der Klinge bis zum Ende des Hefts etwa eineinhalb Meter lang. Hunter berührte ihn beinahe ehrfürchtig, als sei er das Schönste, was sie je gesehen hatte.
    »Sie haben Door für einen Speer ans Messer geliefert«, sagte Richard.
    Sie sagte nichts. Sie leckte mit ihrer rosa Zunge ihren Finger an und fuhr dann sanft damit an der Klinge entlang, um die Schneide zu prüfen; und sie war zufrieden mit dem, was sie fühlte.
    »Werden Sie mich töten?« fragte er.
    Da wandte sie den Kopf und sah ihn an. Sie wirkte lebendiger, als er sie je gesehen hatte; schöner und gefährlicher. »Was sollte mich daran reizen, Sie zu jagen, Richard Mayhew? Auf mich wartet eine größere Beute.«
    »Das ist der Speer, mit dem Sie das Große Ungeheuer von London jagen wollen, nicht wahr?«
    Sie sah den Speer auf eine Weise an, wie keine Frau Richard je angesehen hatte. »Es heißt, er sei unschlagbar.«
    »Aber Door hat Ihnen vertraut. Ich habe Ihnen vertraut.«
    »Genug.«
    Langsam begann der Schmerz nachzulassen, zu einem dumpfen Nachhall in seiner Schulter und seiner Hüfte und seinem Knie abzuflauen. »Für wen arbeiten Sie? Wo bringen sie sie hin? Wer steckt hinter dem Ganzen?«
    »Sagen Sie es ihm, Hunter«, krächzte der Marquis de Carabas.
    Er hatte eine Armbrust auf Hunter gerichtet. Seine nackten Füße standen fest auf der Erde, sein Gesichtsausdruck war unerbittlich.
    »Ich hab’ mich schon gefragt, ob Sie wirklich so tot sind, wie Croup und Vandemar es dargestellt haben«, sagte Hunter. »Ich hatte Sie eigentlich als jemanden eingeschätzt, der schwer zu töten ist.«
    Ironisch neigte er den Kopf. »Ich Sie auch, verehrte Lady. Aber ein Armbrustgeschoß in der Kehle und ein mehrere tausend Meter tiefer Sturz könnten mich Lügen strafen, nicht wahr? Legen Sie den Speer hin und treten Sie zurück.« Sanft, liebevoll legte sie den Speer auf den Boden. Dann richtete sie sich auf und trat zurück.
    »Sie können es ihm ebensogut sagen, Hunter«, forderte sie der Marquis auf. »Ich weiß es bereits. Ich

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