Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
schaute sich um.
    »Ich weiß nicht, was Sie vorhaben«, sagte Richard. »Aber wenn Sie beide meine Wohnung nicht auf der Stelle verlassen, rufe ich die Polizei.«
    Da wandte sich Mr. Vandemar, der gerade dabei gewesen war, Richards Wohnzimmer zu inspizieren, Richard zu, und dieser stellte plötzlich fest, daß er schreckliche Angst hatte, wie ein kleiner Hund, der gerade merkte, daß das, was er für einen Briefträger gehalten hatte, in Wirklichkeit ein riesiger hundefressender Außerirdischer aus der Art Film war, für die Jessica keine Zeit hatte.
    Richard ertappte sich dabei, wie er überlegte, ob man zu jemandem wie Mr. Vandemar sagte: »Tun Sie mir nicht weh!«, und wenn ja, ob das überhaupt etwas nützen würde.
    Und dann sagte Mr. Croup, verschlagen wie ein Fuchs: »Aber, aber, was ist denn nur in Sie gefahren, Mister Vandemar? Ich möchte wetten, der Kummer um unser geliebtes Geschwisterlein hat ihn um den Verstand gebracht. Bitten Sie den Herrn um Verzeihung, Mr. Vandemar.«
    Mr. Vandemar nickte und überlegte einen Moment. »Dachte, ich müßte mal zur Toilette«, sagte er. »Mußte doch nicht. ’Tschuldigung.«
    Mr. Croup begann den Flur entlangzugehen.
    »Na also. Nun, ich hoffe, Sie vergeben meinem ungezogenen Bruder seine fehlenden Manieren. Ich bin sicher, vor lauter Sorge um unsere liebe, arme, verwitwete Mutter und um unsere Schwester, die just in diesem Moment durch die Straßen Londons streift, ohne jemanden, der sie liebt und sich um sie kümmert, ist er nicht mehr recht bei Sinnen. Aber dennoch ist er ein guter Mensch, und es ist schön, ihn an meiner Seite zu wissen. Ist es nicht so, strammer Geselle?«
    Sie gingen jetzt aus der Tür ins Treppenhaus. Mr. Vandemar sagte nichts. Er sah nicht so aus, als sei er vor Kummer nicht mehr recht bei Sinnen.
    Croup wandte sich zu Richard um und probierte noch ein füchsisch verschlagenes Lächeln. »Sie sagen uns Bescheid, wenn Sie sie sehen«, sagte er.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Richard. Dann machte er die Tür zu und schloß sie ab. Und zum ersten Mal, seit er hier wohnte, legte er die Sicherheitskette vor.
    »Bin nicht fett«, sagte Mr. Vandemar.
    Mr. Croup, der sofort das Telefonkabel gekappt hatte, als Richard gesagt hatte, er wolle die Polizei rufen, und sich jetzt fragte, ob es die richtige Schnur gewesen war – schließlich war die Technik des zwanzigsten Jahrhunderts nicht gerade seine Stärke –, nahm ihm ein Flugblatt aus der Hand.
    »Das habe ich nie behauptet«, sagte er. »Spucken!«
    Mr. Vandemar hustete einen Mundvoll Schleim hoch und spuckte ihn säuberlich auf die Rückseite des Handzettels. Mr. Croup klatschte das Plakat mit Wucht an die Wand neben Richards Tür. Es blieb sofort kleben, und zwar bombenfest.
    HABEN SIE DIESES MÄDCHEN GESEHEN? fragte es.
    »›Strammer Geselle‹ haben Sie gesagt. Heißt fett.«
    »Stramm heißt auch mutig, kühn, beherzt, furchtlos, wacker, tapfer, forsch, mannhaft, bravourös und unverzagt«, sagte Mr. Croup. »Glauben Sie ihm?«
    Sie gingen die Treppe hinab.
    »Papperlapapp«, sagte Mr. Vandemar. »Ich hab’ sie gerochen. «
    Richard wartete hinter seiner Wohnungstür, bis er ein paar Stockwerke tiefer die Haustür zuschlagen hörte. Als er gerade den Flur entlang zurück zum Badezimmer ging, ließ ihn ein lautes Telefonklingeln zusammenzucken.
    Er sprintete den Flur zurück und nahm den Hörer ab. »Hallo?« sagte Richard. »Hallo?«
    Kein Geräusch drang aus dem Hörer. Statt dessen klickte es, und Jessicas Stimme kam aus dem Anrufbeantworter auf dem Tisch neben dem Telefon. Sie sagte: »Richard? Hier ist Jessica. Es tut mir leid, daß du nicht da bist, denn dies wäre unser letztes Gespräch gewesen, und ich wollte es dir so gern persönlich sagen.«
    Das Telefon, stellte er fest, war völlig tot. Am Hörer hingen noch etwa dreißig Zentimeter Kabel, das am Ende sauber durchtrennt war. Er brüllte trotzdem hinein, Dinge wie »Jessica!« und »Ich bin da!« und »Bitte leg nicht auf!«
    »Du hast mich gestern abend zutiefst blamiert, Richard«, fuhr die Stimme fort. »Ich betrachte unsere Verlobung als gelöst. Ich habe weder vor, dir den Ring zurückzugeben, noch dich jemals wiederzusehen. Ich hoffe, du und deine lahme Ente verfaulen in der Hölle. Leb wohl.«
    »Jessica!« schrie Richard, in der Hoffnung, das Telekommunikationsnetzwerk vielleicht mit Hilfe reiner Lautstärke zu durchdringen.
    Das Band hörte auf, sich zu drehen, es klickte noch mal, und die kleine rote Lampe begann zu

Weitere Kostenlose Bücher